Sonntag, 20. September 2009

Wenn Straßenkinder Flöte spielen…

Dass die Straßenkinder von Abidjan an der Côte d’Ivoire so musikalisch sind, habe ich nicht gedacht vor Beginn meines einjährigen Volontariats hier im Foyer Magone.
Das Foyer Magone in Abidjan‐Koumassi ist ein neues Zuhause für Kinder, die ihre Familie verlassen haben, weil sie dort ausgenutzt, zu schwerer Arbeit gezwungen
oder geschlagen wurden.
Neben Mathematik und Englisch mache ich zweimal in der Woche Musik mit diesen 21 Jungen im Alter zwischen 9 und 17 Jahren.
Einige der Kinder sind sehr begabt im Tamtam‐spielen, so dass sie den anderen Rhythmen beibringen können, die auch für mich völlig neu sind. Deswegen spielen wir
oft zu Beginn der Musikstunde das Spiel: “Einer klatscht einen Rhythmus vor und die anderen machen ihn nach”. Wir singen auch viele Lieder; meist auf Französisch, aber auch in anderen Sprachen.
Mit etwas Übung haben wir es sogar geschafft, im Kanon zu singen, d.h. eine Gruppe beginnt das Lied und versetzt dazu beginnt etwas später eine zweite, dritte oder sogar vierte Gruppe. Vor Weihnachten haben wir natürlich Weihnachtslieder geübt, die dann an Heiligabend mit strahlenden Augen gesungen wurden (z.B. Il est né le divin enfant, Les anges oder Douce nuit, sainte nuit auf Französisch und Deutsch). Besonders spaßig ist es, wenn wir mit den Kindern eine Choreographie zum jeweiligen Liedtext machen.
Während die Kinder singen, begleite ich sie meistens am Keyboard, oder es wird gemeinsam zur Melodie geklatscht.
Hin und wieder bringe ich den Kindern auch die Grundlagen der Musiktheorie bei: Wie zeichnet man einen Notenschlüssel? Wie heißen die Töne? Wie schreibt man einen Rhythmus auf? etc. Da Musik aber nicht nur aus Singen und Klatschen besteht, kauften wir für jedes Kind im Foyer Magone ein Instrument: Eine Flöte.
Zu Beginn war es für die kleinen Kinderfinger natürlich schwierig, die Löcher der Flöte richtig zu verschließen, so dass es nach einem schrillen Durcheinander klang,
wenn wir gespielt haben. Mit viel Übung und Durchhaltevermögen klang es aber zunehmend besser, und mittlerweile können die meisten schon einige Lieder spielen. Auch wenn sich nicht alles perfekt anhört, macht es ihnen trotzdem Spaß mit diesem
Blasinstrument Musik zu machen.
Ich selber habe mit neun Jahren begonnen Trompete zu spielen und habe später dann zur Posaune gewechselt.
Wenn es hier im Foyer Magone ein Fest gibt, dann packe ich immer meine Posaune aus und spiele in unserem Hof. Die Kinder tanzen dann ausgelassen, und die ganze Nachbarschaft bekommt mit, dass wir feiern!
Vielleicht ist es ja eines Tages so weit, dass einige der Kinder auch ein weiteres Instrument lernen können, dann gründen wir das erste Symphonieorchester unseres Stadtteils Koumassi.
Benedikt Kern, Côte d‘Ivoire

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