Mittwoch, 19. Februar 2025

Die Nachbarschaft zu Gast bei der Parade am Jugendfest in Kribi

 Am 11. Februar 2025 wurde in Kribi im Océan Bezirk in der Südregion Kameruns eine Parade zum Jugendfest veranstaltet. Geleitet wurde das Fest von dem Präfekten (der höchsten administrativen Instanz) Nouhou Bello. Alles begann gegen 10 Uhr mit der Rede des kamerunischen Staatspräsidenten an die Jugend Kameruns. Nach der Preisverleihung an die besten Schüler der Stadt Kribi folgte die Parade. 










Die Kinder aus 19 Kindergärten eröffneten den Marsch mit gekonnter Disziplin und kindlichem Charme. Dann folgten die Schüler der etwa 20 Grundschulen. Es ging danach weiter mit den staatlichen Gymnasien, den konfessionellen und den privaten Sekundarschulen. Schließlich kamen die Studenten von den verschiedenen Hoch- und Fachschulen und andere Vereine aus der bürgerlichen Gesellschaft. Leider fand angesichts des vollen Programms, obwohl ich als Gast zu diesem feierlichen Anlass eingeladen war,  kein Behördenvertreter Zeit für ein Interview. Alle waren zu sehr mit der Organisation des Festes beschäftigt.

Die Parade, die gegen 10 Uhr anfing, schloss gegen 13 Uhr ab mit Tänzen traditioneller Gruppen und anderer Vereine.

Mehr über Kribi - die Touristenattraktion und was dazu gehört

Wenn man vom Tourismus in Kamerun sprechen möchte, denkt man auf den ersten Anhieb an die Stadt Kribi mit ihren umfangreichen Stränden, mit weißem hellem Sand, mit natürlichen schönen Landschaften wie den Wasserfällen von Lobé und dem Meer. Diese wunderbaren Anziehungsorte locken viele Touristen aus der ganzen Welt an, sei es aus Europa, aus Amerika, aus Asien oder auch aus Afrika. Kribi ist etwa 160 km mit dem Wagen oder mit dem Bus von der Wirtschaftsmetropole  Kameruns Douala entfernt.












Kribi hat keinen Flughafen, deshalb müssen die ausländischen Touristen im internationalen Flughafen von Douala landen, bevor sie sich mit dem Wagen weiter nach Kribi begeben. Es ist eine Mittelstadt von ca 60.000 Einwohnern, deren einheimische Bevölkerung hauptsächlich die Batanga und Mabi bilden. Ihre Blütezeit begann in den 90er Jahren mit der Asphaltierung der Straße Edéa-Kribi. Aus administrativer Sicht liegt Kribi in der Südenregion Kameruns, genau im Bezirk Océan. Der Präfekt ( hochstaatliche Instanz) heißt  Nouhou Bello und der Bürgermeister Guy Emmanuel Sabikanda.











*Zu den Aktivitäten in Kribi

Zwar verfügt die Strandstadt über viele hoch- und mittelklassige Hotels und Restaurants, doch leider sind die meisten ziemlich teuer. Reguläre Arbeitsplätze sind rar, etwa 90 Prozent der Arbeitkräfte sind im informellen Sektor tätig. Dazu zählen Fischfang, Straßenhandel, Motorradtaxifahrt und Verkauf von gegrilltem und geschmortem Fisch. Die Arbeitslosigkeit bei den Jugendlichen ist sehr hoch und ihre Lebenssituation prekär.

*Zum Schulwesen

Kribi hat 19 Kindergärten, 20 Grundschulen, 17 Schulen mit Sekundarstufe und 10 Hoch- und Fachschulen. Das größte Gymnasium dieser Stadt ist die Government Bilingual High School mit ca 4000 Schülern.

*Kribi : eine Stadt mit unterschiedlichen Facetten

Kribi ist eine prachtvolle Strandstadt mit frischer Luft und abwechslungsreichen Attrativitäten, doch sie hat auch ihre Schattenseiten. 













Seit 2016/17 in den anglophonen Regionen Kameruns Proteste niedergeschlagen wurden, haben viele Leute diese Regionen verlassen. Die leben jetzt als Flüchlinge in anderen Gegenden Kameruns. Und in Kribi gibt es eine große Zahl von obdachlosen Mädchen (viele davon im Alter von 15 bis 25 Jahren), die unter sehr elenden Bedingungen leben. Ihre einzige Einkommensquelle ist die Prostitution. Sie verdienen damit kaum 1000 Franken CFA (etwa 1,5 Euro) pro Tag. So leben sie von Tag zu Tag, sind der Armutsgrenze und lebensbedrohlichen Krankheiten ausgesetzt. Eins von ihnen hat ganz anonym folgendes gesagt :

"Ich bin 22 Jahre alt und Waise. Da es in meinem Heimatdorf Batoké im Südwesten Kameruns einen blutigen Krieg gibt, bin ich geflohen, um nach Kribi zu kommen. Ich habe zwar das Ordinary level Certificate erreicht, aber leider konnte ich die Schule wegen meiner Armut nicht mehr weiter besuchen. Meine Mutter hat ihr Leben bei einem heftigen Angriff der Separatisten verloren. Hier in Kribi überlebe ich auf der Straße nur durch die Prostitution. Das ist wirklich schlimm, aber sehen Sie, ich muss ja auf jeden Fall von etwas leben. Zwar leide ich sehr darunter, aber ich habe keine andere Wahl. Ich versuche so viel Geld zu sparen, dass ich mir hoffentlich andere bessere Berufsperspektiven eröffnen kann."

Wenn man solche Worte von einem intelligenten und ehrgeizigen Mädchen hört, das übrigens perfekt Englisch und Französisch spricht, dann weiß man, dass da etwas schief gelaufen ist.

Aus diesem Grund sollte man auf der Ebene der Vereinten Nationen immer auf die Achtung der Menschenrechte, gute Regierungsform, Demokratie mit wechselnder Regierungsverantwortung und die Gewährleistung der Lebensqualität, insbesondere von Kindern und Jugendlichen achten, da sie die Zukunft der Menschheit bilden.

Die Beobachtung der Lebenssituation in der sonst doch so bevorzugten Stadt Kribi hat gezeigt, dass die Armutsrate selbst hier bereits beängstigend hoch liegt.

William CHANTCHO ( Kribi)

Mitarbeiter: Walter BÖHME und Evariste FOSONG



Dienstag, 4. Februar 2025

Verständigung über Kulturgrenzen hinweg: Tagebuchaustausch zwischen Kenia und Deutschland

 Tagebuchschreiben in Kenia und am Goethegymnasium in Bensheim

Das Tagebuch Projekt mit der St Jude’s School in Eldoret, Kenia,  geht in die zweite Runde. Nach dem Erfolg im letzten Jahr stellen sich auch diese Jahr Schüler*innen der 7. Klasse die Frage: „Wie sieht der Alltag eines kenianischen Schulkindes aus? Was gibt es über meinen Alltag zu berichten?
 
Die Klasse 7c hat in den Woche zwischen Sommer und Herbstferien im Englischunterricht das Buch „Alan Brown’s Diary“ von Frederick L. Wolf gelesen. Das Leseprojekt wurde in Kooperation mit der St Jude’s School in Kenia durchgeführt. Sowohl die deutschen als auch die kenianischen Kinder haben Tagebücher geschrieben. Diese wurden nach Kenia geschickt. Da in Kenia die großen Ferien über Weihnachten sind und nicht wie bei uns im August, konnten die Tagebücher jetzt pünktlich zum Schuljahresbeginn dort übergeben werden.  

Mehr über Verständigung über Kulturgrenzen hinweg:


Donnerstag, 28. November 2024

Zunahme der Stadtbevölkerung und autoritärer Herrschaft in Afrika

 Afrika wird bis 2035 sieben Städte mit mehr als zehn Millionen Einwohner haben.

Dabei wird die rascheste Bevölkerungszunahme in Westafrika stattfinden, wo ein Gürtel mit Millionenstädten entstehen wird, auf dem insgesamt 50 Millionen Menschen leben werden. (Afrika: Wie die Urbanisierung den Kontinent überrollt, DW.com 18.5.2023)

Das wird einerseits die Zahl und das Tempo von Innovationen erheblich steigern, aber auch zu mehr Unruhe und Protesten führen, denn auch der Anteil an autoritär regierten Staaten in Afrika nimmt zu. 

Laut der jüngsten Ausgabe des von  Mo Ibrahim entwickelten Indexes für afrikanische Regierungsführung leben 78 % der afrikanischen Bürger in einem Land, in dem sich Sicherheit und Demokratie zwischen 2014 und 2023 verschlechtert haben. (Guardian 23.10.2024)


Freitag, 11. Oktober 2024

WITWENRITUS BEI DEN BETI IN KAMERUN

 Bei den Beti-Völkern in Kamerun unterliegt die Witwe einem Witwenschaftsritual, dem Akouss. Der Zweck dieses Ritus besteht darin, die Witwe, vor übernatürlichen Gefahren zu schützen, die durch den Verlust eines Partners verursacht werden. Sie wird von den Eingeweihten (Schwestern) durchgeführt.

Nach dem Tod des Ehepartners kann es zu einer Reihe von Unglücksfällen für die überlebende Partnerin und ihre Familie kommen, daher gilt der Akouss-Ritus, nach dem eine Reihe von Verboten und Gebeten zu beachten sind

Die Stufen des Ritus

Sobald der Ehepartner gestorben ist, hat die Witwe Folgendes zu tun::

  1. keine Schuhe mehr zu tragen

  2. niemanden mehr mit Handwinken zu begrüßen

  1. den Leute nicht mehr in die Augen zu schauen

  2. nicht mehr im ehelichen Schlafzimmer, sondern auf einer Matte im Wohnzimmer zu schlafen.

  3. Sie wird auch stets ihre Hände zur Faust ballen, damit sie nicht einen Teil ihres Vermögens verliert.

Am Tag nach der Beerdigung gilt Folgendes:

1. In den frühen Morgenstunden wird sie mit einem Rohrstock mit Bananenadern geschlagen, während sie einen Bananenstamm auf ihrer Schulter trägt,

2. Dann wird sie auf dem nassen Boden gerollt.

3. Darauf werden ihre Haupthaare und die Körperbehaarung abrasiert.

4. Schließlich wird die Witwe zum Entschlackungsbad mit Kräutern an den Fluss gebracht.

5. Danach muss sie für einen Zeitraum von 6 Monaten bis 12 Monaten einen neuen schwarz-weiß-blauen Mantel nach ihrer Wahl  tragen. Auf dem Rückweg vom Fluss darf sie sich nicht umdrehen. Im Dorf wird sie von lautem Geschrei der Dorfbewohner begrüßt.

Für die Durchführung des Ritus hat sie den Eingeweihten Hühner, Getränke und Kochbananenfutter zu geben. Wenn die Witwenzeit abgelaufen ist, ziehen die Eingeweihten ihr die Witwenkleidung aus, baden sie, reinigen sie und ziehen ihr normale Kleidung an. 

Dann wird ein Fest gefeiert, man tanzt, isst und trinkt. Die Witwe beginnt ihr Leben neu, kann wieder öffentlich ausgehen, Sex haben, mit wem sie will, und heiraten.

WILLIAM CHANTCHO

Freitag, 17. Mai 2024

Rückgabe von Kulturgütern aus Kamerun

„Wir gewinnen extrem viel durch den Austausch“ FR/dpa 15.01.2024 

In Stuttgart sollen deutsch-kamerunische Gespräche einen Weg ebnen, wie Kulturgüter aus der ehemaligen Kolonie zurückgeführt werden könnten.

In deutschen Museen lagern mehr als 40 000 Objekte aus der früheren deutschen Kolonie Kamerun, eine sehr große Zahl davon wurde während der Kolonialzeit geraubt und landete in den Sammlungen. Nach Jahrzehnten des Zögerns werden jetzt nach und nach Raubgut-Stücke auch aus anderen Regionen zurückgegeben. Schlagzeilen machten zuletzt die berühmten Benin-Bronzen aus dem heutigen Nigeria, auch menschliche Überreste anderer Kulturen sind bereits übertragen worden.

Nun wollen elf deutsche Museen der Weltkulturen und die Länder das Thema der möglichen Rückgabe und der Zusammenarbeit auf eine breitere Basis stellen und einen Dialog mit Kamerun aufnehmen. Nach einem ersten Treffen mit Delegationen und Vertretern traditioneller Königshäuser aus Kamerun in Stuttgart hoffen die Häuser auf einen persönlichen Austausch und wachsendes Vertrauen. [...]"

Wie sieht das die Delegation aus Kamerun?

Delegationsleiterin Rékia Nnunfu Ngeh betont, der Staat Kamerun müsse die zentrale Rolle im Prozess um die Rückgabe von Kulturgütern einnehmen.  [...] Auch die Vertreter vieler traditioneller Gruppen reklamieren das Besitzrecht für sich. Denn für viele indigene Völker spielt die Beziehung zu ihren Vorfahren eine ganz andere kulturelle und religiöse Bedeutung als bei uns. „Jedes einzelne dieser Objekte ist Teil der Seele unseres Volkes“, sagte Bruno Mvondo, Vertreter des Fang Bèti-Clans aus Kamerun [...]"

Zur Vorgeschichte:

"Kamerun war von 1884 bis 1919 eine deutsche Kolonie. Die Kolonie hatte anfangs eine Fläche von 495.000 km². Nach der Angliederung Neukameruns  [ein Teil von Französisch-Äquatorialafrika, den Frankreich an das Deutsche Kaiserreich abtrat, damit Frankreich die Alleinherrschaft in Marokko erhalten könne] und der Abtretung des sogenannten   Entenschnabels [Bec de canard] im Jahre 1911 hatte sie eine Fläche von 790.000 km². Die Kolonie war damit ca. 1,3 mal so groß wie das Mutterland. [Deutschland]. Kamerun hatte 1897 2.600.000 Einwohner, darunter 253 Europäer (181 Deutsche). Durch Neukamerun kamen weitere ca. 2 Millionen Einwohner hinzu, davon waren im Jahre 1912 1900 Europäer (1000 Deutsche).[2]" (Wikipedia)

Dienstag, 30. April 2024

Migration in der menschlichen Frühzeit

 Wo und der Übergang der Vorfahren von Menschen und Affen genau stattgefunden hat, ist noch umstritten. Sehr viel spricht dafür, dass es in Ostafrika war und dass sie sich von dort über den gesamten Erdball verteilt haben. Bei ihrer Wanderung nach Europa ergab es sich, dass viele von ihnen Ackerbauern wurden und weniger Fleisch und Fisch zu sich nahmen und deshalb Vitamin-D-Mangel bekamen. Der führt unter anderem zu Depressionen, Immunschwäche und Knochenerweichung. Da war es ein Glück, dass sie sich an die Umwelt mit weniger Sonnenlicht anpassen konnten und mit der Zeit immer hellere Haut bekamen, so dass sie bei gleicher Sonneneinstrahlung mehr Vitamin-D produzieren konnten. Das dauerte viel länger als der Klimawandel aufgrund der Industriellen Revolution. Man schätzt, dass es innerhalb von 2500 bis 3000 Jahren so weit kam. Allerdings bis der Ackerbau von Mitteleuropa bis Nordeuropa kam, dauerte es noch gut 2000 Jahre länger. (So stark beeinflusste offenbar der Mangel an Sonnenlicht die Entwicklung. Aus archäologischen Funden lässt sich das allerdings erst nachweisen, seit man das menschliche Genom auch anhand alter Knochenfunde bestimmen kann.

Da zeigte sich, dass die menschliche Vielfalt in Afrika weit größer ist als in Europa. Unter anderem zeigt sich da daran, dass Ostafrikaner sich genetisch stärker von Westafrikanern unterscheiden als von Europäern.

Freilich solche genetischen Forschungen lagen noch in ferner Zukunft, als der Panafrikanismus entstand. Übrigens nicht in Afrika, doch das ist ein anderes Kapitel.

(Angeregt wurde dieser Beitrag über "DNA von damals" im ZEIT-Magazin vom 25.4.24, S. 24ff.)

Samstag, 20. April 2024

Rassismus und Antirassismus

 Die Tatsache, dass es die anspruchsvollen wissenschaftlichen Artikel der Zeitschrift "Aus Politik und Zeitgeschichte" jetzt online zu lesen gibt, veranlasst mich, jetzt zwei von diesen Aufsätzen aus dem Jahr 2020 vorzustellen, damit sich die Wahrscheinlichkeit, dass diese Zeitschrift auch im Netz gelesen wird, sich ein wenig vergrößert.

In dem Aufsatz von Naika Foroutan: "Rassismus in der postmigrantischen Gesellschaft" heißt es unter anderem:

"In der einschlägigen Rassismustheorie lässt sich die Funktionsweise von Rassismus im Wesentlichen in einem Dreischritt beschreiben:

In einem ersten Schritt werden Menschen beziehungsweise Menschengruppen aufgrund von Merkmalen, die je nach historischem Kontext unterschiedlich gewählt werden können, als homogene Gruppen dargestellt und eingeteilt.Zur Auflösung der Fußnote[12] Dabei muss das zugeschriebene Merkmal nicht zwingend auf die einzelnen Individuen zutreffen, es fungiert als "Bedeutungsträger".Zur Auflösung der Fußnote[13]

In einem zweiten Schritt – oftmals als Rassifizierung bezeichnetZur Auflösung der Fußnote[14] – werden diese Merkmale biologisiert, und ihren Träger*innen werden spezifische, meist negative Eigenschaften zugeschrieben.Zur Auflösung der Fußnote[15]

In einem dritten Schritt findet schließlich eine HierarchisierungZur Auflösung der Fußnote[16] der derart konstruierten Gruppen statt. Je nach Gesellschaftsformation ermöglichen solche Hierarchien zwar auch flexible Übergänge zwischen dem "Wir" und "den Anderen". Als anders gelesene Gruppen zu markieren und systematisch abzuwerten, kann indes nur gelingen, wenn gesellschaftliche Strukturen ermöglichen, die Verteilung von Handlungschancen sowie die Bewältigung von Konflikten in der Form solcher kollektiven Identitäten zu artikulieren und organisieren. [...]"

In Deutschland entstand nach dem Zweiten Weltkrieg (ab 1945), als der Holocaust allgemeiner bekannt wurde, nicht zuletzt durch Anne Franks Tagebuch ein Schuldgefühl gegenüber den Juden, an denen dieser Völkermord begangen worden war. Dagegen fühlten sich die meisten Deutschen am internationalen Kolonialismus nicht mitschuldig, denn die deutschen Kolonien, beispielsweise Deutsch-Südwestafrika, Deutsch-Ostafrika, Togo sowie Kamerun waren im Versailler Vertrag 1919 als Mandatsgebiete des Völkerbunds unter britische und französische Verwaltungshoheit gestellt worden. Mit denen hätten die Deutschen ja nichts mehr zu tun. 

Doch gerade, dass die Beziehungen zu den ehemaligen Kolonien nicht mehr bestanden, hatte dazu geführt. dass manche Bürger dieser Kolonien nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren konnten. 

Dazu heißt es in dem Aufsatz von Tiffany N. Florvil: Transnationale Perspektiven auf Schwarzen Antirassismus im Deutschland des 20. Jahrhunderts:

"Diese Schwarzen Deutschen engagierten sich als Aktivist*innen gegen Kolonialismus und Rassismus in Deutschland, da das Ende der deutschen Kolonialzeit keineswegs das Ende europäischer kolonialer Strukturen, Einstellungen und Politik bedeutete. So reichte Martin Dibobe, der erste Schwarze Zugführer im Berliner Nahverkehr, gemeinsam mit 18 anderen Männern aus früheren deutschen Kolonien, im Juni 1919 beim Reichskolonialministerium und beim Reichstag eine Petition ein. Darin verurteilten sie den Rassismus, traten dafür ein, Afrikaner*innen gleiche Rechte und gesetzliche Anerkennung zuteilwerden zu lassen und verlangten Teilhabe am neuen demokratischen System in Deutschland. Sie erhielten nie eine Antwort, allerdings handelte es sich um die erste kollektive Bemühung, in der Metropole offen dem Rassismus entgegenzutreten, der sich gegen die Rechte afrikanischer Menschen in Europa und den Kolonien richtete.Zur Auflösung der Fußnote[1] [...]

1930 organisierte der in Trinidad geborene George Padmore eine internationale Konferenz Schwarzer Arbeiter in Hamburg, bei der die Delegierten unter anderem universelle Arbeiterrechte, die volle Unabhängigkeit aller Kolonien und das Selbstbestimmungsrecht aller Nationen forderten. Ebenfalls in Hamburg gab er bis 1931 "The Negro Worker" heraus, das Sprachrohr des Internationalen Gewerkschaftskomitees für Schwarze Arbeiter. Unmittelbar nach ihrer Machtübernahme 1933 veranlassten die Nationalsozialist*innen Padmores Abschiebung. In seinen Werken setzte sich Padmore für die unterdrückten und ausgebeuteten Schichten ein. Als bekennender Kommunist war sein Antirassismus zugleich internationalistisch. Er thematisierte die mannigfaltigen Ausprägungen des Rassismus und bot Handlungsmöglichkeiten an, die auf ein Ende der weltweiten Klassenausbeutung sowie der rassistischen und kolonialen Unterdrückung zielten. Später sollte er sich offen als Anhänger und Unterstützer panafrikanischer Initiativen bekennen. So gründete er zusammen mit anderen 1937 mit dem International African Service Bureau ein Netzwerk, mit dem die Korrespondenz zwischen afrikanischen und karibischen Gewerkschaftler*innen und Intellektuellen koordiniert wurde.Zur Auflösung der Fußnote[7]

Diese Entwicklungen der Zwischenkriegszeit deuten darauf hin, dass der antirassistische Aktivismus eher auf intellektuellem und kulturellem Wege zustande kam als durch die unmittelbare politische Konfrontation. In der NS-Zeit blieben diese transnationalen Verbindungen – wenn auch in anderer Form – erhalten. So erschienen in afroamerikanischen Zeitungen wie dem "Chicago Defender" oder dem "Pittsburgh Courier" Artikel zur Entwicklung in Deutschland, zum Rassismus der Nationalsozialist*innen, zum Leben unter dem NS-Regime sowie später zu den Erfahrungen afroamerikanischer Soldaten im Nachkriegsdeutschland.Zur Auflösung der Fußnote[8] Ihre durch rassistische Zuschreibungen geprägten Erlebnisse im besetzten Deutschland lassen auch die Widersprüche der Demokratie und der seit 1949 im Grundgesetz verankerten "Gleichheit vor dem Gesetz" deutlich hervortreten. [...]

Die Präsenz US-amerikanischer Soldaten in Deutschland ermöglichte einen produktiven Austausch zwischen ihnen und der westdeutschen Bevölkerung. Afroamerikanische Soldaten warben für die Etablierung einer funktionierenden Demokratie und von Freiheitsrechten, während sie selbst immer noch in einer Armee dienten, die rassistischen gesetzlichen Vorgaben unterlag und weder ihr Menschsein anerkannte noch ihren Beitrag zur Kriegsanstrengung honorierte. Ironischerweise erlebten sie im Westdeutschland der Nachkriegszeit ein Maß an Freiheit, wie sie es zuvor nie gekannt hatten.

Deutsche in Ost und West schenkten dagegen dem Rassismus außerhalb ihrer Grenzen vielfach mehr Aufmerksamkeit als dem im eigenen Land. So berichteten deutsche Zeitungen über US-Bürgerrechtsthemen, etwa 1957, als drei Jahre, nachdem der Oberste Gerichtshof in den USA die Rassentrennung an Schulen für verfassungswidrig erklärte hatte, neun afroamerikanischen Schüler*innen von gewalttätigen Demonstrant*innen mit Unterstützung der Nationalgarde der Besuch der Little Rock Central High School verwehrt wurde.Zur Auflösung der Fußnote[9] Das wachsende Interesse an diesen Themen war auch bei den viel beachteten Besuchen prominenter Bürgerrechtler wie Martin Luther King Jr. und Ralph Abernathy in Frankfurt am Main sowie in Ost- und Westberlin 1964 erkennbar. Dieser Austausch brachte auch Deutsche dazu, Schritte gegen Rassismus einzufordern, während sich die westdeutsche Politik indes stark auf die Eindämmung des Kommunismus in all seinen Erscheinungsformen konzentrierte. [...]

In den 1960er Jahren waren viele westliche Führungspersönlichkeiten zudem überzeugt, die Black-Power-Bewegung bedrohe den weißen Status quo.Zur Auflösung der Fußnote[10] Anders sahen dies radikale Student*innen des Sozialistischen Deutschen Studentenbunds (SDS), die sich 1967 mit der Black-Power-Bewegung und anderen linken Schwarzen Bewegungen solidarisch erklärten.Zur Auflösung der Fußnote[11] [...]  Deutsche Studierende und afroamerikanische Soldaten planten gemeinsam Versammlungen, Teach-Ins und Proteste, darüber hinaus gaben sie die Untergrundzeitung "Voice of the Lumpen" heraus. [...] Antirassistische Ideologie und internationalistische Perspektiven bestärkten die Schwarze deutsche Bewegung in ihrem Vorgehen, zu dem Workshops, Proteste und Vorträge in verschiedenen deutschen Städten gehörten. In den späten 1980er und frühen 1990er Jahren kritisierten Schwarze Deutsche deutlich die Renaissance des ethnischen Nationalismus und den Neofaschismus in Deutschland und Europa. [...] Die deutsche Black-Lives-Matter-Bewegung (BLM) nahm ihren Anfang 2016. Mit ihr ist ein Raum für neue kritische Methoden entstanden, die den sich überschneidenden Formen der Unterdrückung Rechnung tragen, damit die Lebensbedingungen für Schwarze Deutsche verbessert werden können. In ihren Aufrufen zum Handeln ähnelt die deutsche BLM-Bewegung jenen in Großbritannien, Frankreich und den USA. In Deutschland manifestiert sie sich insbesondere in Kampagnen gegen staatliche Gewalt und für ein Ende der Rassen- und Geschlechterdiskriminierung, wobei sie die Aufmerksamkeit auch auf die verbreitete Polizeigewalt lenkt. [...]"

(Walter Böhme, Webmaster der "Nachbarschaft")