Dienstag, 2. August 2011

Exklusivinterview mit S.E. Reinhard BUCHHOLZ , Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Kamerun

Nachbarschaft : Ihre Exzellenz, wie fühlen Sie sich in Kamerun seit Sie hier als Botschafter tätig sind?
Antwort: Ich bin nun seit einem Jahr deutscher Botschafter in Kamerun. Den Posten hatte ich mir ausgewählt. Diese Wahl bereue ich nicht.

Nachbarschaft : A propos deutsche Tätigkeiten in Kamerun:
Können Sie für unsere Leser erläutern, welche Arbeitsschwerpunkte die deutsche Botschaft in Kamerun hat?

Wie groß ist Ihr Gestaltungsspielraum bei der Arbeit? Wie weit werden vom Auswärtigen Amt Richtlinien vorgegeben, in welchem Umfang können Sie selbst Prioritäten setzen?
Seine Exzellenz Botschafter Reinhard Buchholz und William Chantcho

Antwort: Die Botschaft deckt die gesamte Bandbreite unserer Beziehungen mit Kamerun ab: Politik, Wirtschaft, entwicklungspolitische Zusammenarbeit, Kultur. Sie versucht, den Herausforderungen in all diesen Bereichen gerecht zu werden. Da die Schwerpunkte innerhalb der Bereiche nicht fest sind, sondern sich immer verschieben, müssen wir flexibel reagieren.
Zum Beispiel im Kulturbereich: in diesem Jahr feiern wir „50 Jahre Goethe Institut in Kamerun“; das ist in diesem Jahr ein Schwerpunkt, wobei wir natürlich andere wichtige Bereiche unserer kulturellen Zusammenarbeit nicht vernachlässigen, wie zum Beispiel die Hochschulpartnerschaften, die Stipendienprogramme, oder die Förderung der deutschen Sprache. Oder im Bereich der Wirtschaft: seit einem Jahr stellen wir ein steigendes Interesse der deutschen Unternehmen an Kamerun fest; darauf haben wir reagiert mit einem verstärkten Angebot an Beratung und politischer Begleitung der Investitionsvorhaben.
Solange sich die Aktivitäten der Botschaft im Rahmen der politischen Vorgaben der deutschen Regierung halten, hat die Botschaft einen recht weiten Gestaltungsspielraum. Das muss auch so sein, denn die Beziehungen zwischen unseren Ländern sind sehr lebendig. Wenn wir uns immer erst in Deutschland rückversichern müssten, könnten wir nicht zu ihrer Dynamik beitragen, sondern wären ein Bremsklotz.

Nachbarschaft : Zum Gebiet deutsch-kamerunische Beziehungen:

Hat sich das Verhältnis zwischen Deutschland und Kamerun seit der Unabhängigkeit im Jahre 1960 verändert?
Sind die Beziehungen zwischen den europäischen Staaten und afrikanischen Staaten national oder eher europäisch geprägt?

Antwort: Natürlich hat sich das Verhältnis zwischen unseren Ländern in den letzten 50 Jahren sehr verändert. Das Kamerun von heute hat nur noch wenig gemeinsam mit dem Kamerun von 1960, und das gleiche trifft auf Deutschland, auf Zentralafrika, auf den afrikanischen Kontinent und natürlich die ganze Welt zu. Lange Zeit war es ein Verhältnis zwischen dem Geber Deutschland und dem Nehmer Kamerun. Wir Deutsche nehmen zur Kenntnis, dass dies nicht mehr den Gegebenheiten in der jetzigen Welt entspricht. Deswegen haben wir in unserer Afrika-Strategie (die erst vor kurzem von der Bundesregierung beschlossen wurde) festgelegt, dass wir mit den afrikanischen Staaten und damit auch mit Kamerun ein Verhältnis „unter Gleichen“, oder mit anderen Worten: „auf gleicher Augenhöhe“ anstreben. Wir suchen in Kamerun einen gleichberechtigten Partner.

Zu den Veränderungen in den letzten 50 Jahren gehört auch die Bildung der Europäischen Union. Immer mehr Zuständigkeiten sind an die Union übergegangen. Die Mitglieder der Europäischen Union arbeiten auch in ihren Beziehungen mit den afrikanischen Staaten eng zusammen. Dadurch, dass Mitgliedstaaten die europäische Politik mitbestimmen, gibt es nur in Nuancen Unterschiede zwischen der Afrika-Politik der EU und der ihrer Mitglieder.


Nachbarschaft : Was die Schwierigkeiten bei der Durchführung Ihrer Arbeit in Kamerun angeht:

Sie wollen ein förderliches Verhältnis zwischen Deutschland und Kamerun herstellen und sich gewiss nicht in die inneren Affären Kameruns einmischen. Dennoch besteht ein legitimes Interesse der internationalen Staatengemeinschaft an der Wahrung der Menschenrechte in allen Staaten. Dieser Zielkonflikt findet gegenwärtig angesichts der „ gemeinsamen Kabinettsitzung“ der chinesischen und der deutschen Regierung das besondere Interesse der Öffentlichkeit.
Wie gehen Sie mit diesem Zielkonflikt im Verhältnis mit Kamerun um?

Hat sich die deutsche Politik gegenüber afrikanischen Staaten seit dem „ Arabischen Frühling “ verändert?

Antwort: Deutschland wie Kamerun haben viele internationale Abkommen über die Wahrung der Menschenrechte, auch der politischen und demokratischen Rechte unterzeichnet; außerdem haben sie in der Präambel mit den anderen Unterzeichnerstaaten des Cotonou-Abkommens aus Europa, Afrika, dem Pazifik und der Karibik erklärt: „Un environnement politique garantissant la paix, la sécurité et la stabilité, le respect des droits de l'homme, des principes démocratiques et de l'État de droit et la bonne gestion des affaires publiques, fait partie intégrante du développement à long terme; reconnaissant que la responsabilité première de la mise en place d'un tel environnement relève des pays concernés.“. Für mich gibt es daher keinen Zielkonflikt. Wir halten uns an die Verträge, und gehen davon aus, dass es die anderen Partner auch tun.
Im übrigen hat sich die deutsche Politik gegenüber afrikanischen Staaten im letzten Jahr nicht grundsätzlich verändert.

Nachbarschaft : Was halten Sie von dem Versuch, ein internationales afrikanisches Online-Magazin zu gründen?

Antwort: Ich begrüße dieses Projekt sehr aus zwei Gründen:
Zum einen wegen der Bedeutung des Internets für die Zukunft Afrikas. Viele afrikanische Länder fördern die Verbreitung des Internets. Inzwischen hat sich in Afrika wohl allgemein die Erkenntnis durchgesetzt, dass gerade für Afrika das Internet eine große Chance bedeutet, den Entwicklungsrückstand nicht noch größer werden zu lassen und möglichst aufzuholen.
Zum zweiten sind Informationen über Ereignisse und Entwicklungen in einem Land, aber auch in anderen Ländern der Region oder des Kontinents von großer Wichtigkeit für die Entwicklung der Demokratie: nur ein informierter Bürger kann zum Fortschritt seines Landes beitragen. Vorher sind die Bemühungen um Verbreitung von Fakten und Meinungen über Grenzen hinweg an den Kosten gescheitert: es war einfach zu teuer, ein gedrucktes Magazin in mehreren Ländern auf den Markt zu bringen. Mit Hilfe des Internets ist es nun möglich, das zu erträglichen Kosten zu tun. Daher wünsche ich dem Magazin „Nachbarschaft“ eine zahlreiche Leserschaft.

Nachbarschaft : Was ist Ihr kamerunisches Lieblingsgericht? Was würden Sie gern am Ende Ihres Aufenthalts nach Deutschland mitnehmen? Nur Essen und Rezepte oder auch anderes?

Antwort: Ndole, Folon oder Okok schmecken mir sehr gut. Und gegrillten Fisch esse ich überall dort, wo es ihn gibt: im Hafen von Kribi und in den Fischgaststätten in Jaunde.
Für die Mitnahme am Ende einer Zeit in einem Land ist aber Anderes viel wichtiger: das sind die Erinnerungen an die Menschen und ihre Kultur. Ich freue mich, dass ich mit einigen Kamerunern Freundschaft geschlossen habe: diese Freundschaften zu bewahren und zu pflegen wird mir nach meiner Ausreise ein besonderes Anliegen sein.

Ihre Exzellenz wir danken Ihnen sehr für das Gespräch.
Die Fragen stellten William CHANTCHO und Walter BÖHME

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