Freitag, 6. Januar 2023

Die Rede des Patrice Lumumba am 30.6.1960 und ihre Folgen

Am 30.6.1960 wurde der die Republik Kongo von Belgien in die Unabhängigkeit entlassen.

Der gewählte Ministerpräsident Patrice Lumumba hielt damals eine im Protokoll nicht vorgesehene 12-minütige Rede. Dazu heißt es in der deutschen Wikipedia: 

"[...] Schon während des Festaktes zur Unabhängigkeitsfeier trat Lumumba als entschiedener Verfechter von Freiheit und Würde hervor. In einer Rede widersprach er dem belgischen König Baudouin (1930–1993), der die „Errungenschaften“ und die „zivilisatorischen Verdienste“ der Kolonialherrschaft lobte. In Anwesenheit des Königs und der versammelten Honoratioren aus dem In- und Ausland widersprach er dieser Geschichtsauffassung und prangerte – an König Baudouin gewandt – die Unterdrückung, Missachtung und Ausbeutung durch die belgische Kolonialverwaltung an.

„[…] erniedrigender Sklaverei, die uns mit Gewalt auferlegt wurde. […] Wir haben zermürbende Arbeit kennengelernt und mussten sie für einen Lohn erbringen, der es uns nicht gestattete, den Hunger zu vertreiben, uns zu kleiden oder in anständigen Verhältnissen zu wohnen oder unsere Kinder als geliebte Wesen großzuziehen. […] Wir kennen Spott, Beleidigungen, Schläge, die morgens, mittags und nachts unablässig ausgeteilt wurden, weil wir Neger waren. […] Wir haben erlebt, wie unser Land im Namen von angeblich rechtmäßigen Gesetzen aufgeteilt wurde, die tatsächlich nur besagen, dass das Recht mit dem Stärkeren ist. […] Wir werden die Massaker nicht vergessen, in denen so viele umgekommen sind, und ebenso wenig die Zellen, in die jene geworfen wurden, die sich einem Regime der Unterdrückung und Ausbeutung nicht unterwerfen wollten.“ [...]"(Wikipedia: Patrice Lumumba)

 

In der Wikipedia zur Geschichte der Region Kongo heißt es dazu: 

" Am 1. Januar 1960 hatte die französische Regierung das Nachbarland Kamerun in die Unabhängigkeit entlassen; im Laufe des Jahres 1960 entließ sie weitere 13 französische Kolonien in die Unabhängigkeit. Zwei Tage später, am 27. Januar 1960, kündigte Belgien Wahlen und Selbstverwaltung an und erklärte, dass es sich innerhalb von sechs Monaten aus dem Kongo zurückziehen werde. Das Versprechen wurde gehalten. Am 30. Juni 1960 erhielt der Kongo seine Unabhängigkeit, nachdem einen guten Monat zuvor am 25. Mai 1960 der MNC in den ersten freien Wahlen des Kongo die meisten Stimmen auf sich vereinigt hatte. [...] Der übereilte Rückzug Belgiens aus dem Kongo (nur die militärische Führung blieb in den Händen der Belgier) stellte die Unabhängigkeitsbewegung aber vor große Probleme, denn das Land war in einem äußerst instabilen Zustand. Regionale und ethnische Führer hatten teils mehr Macht als die Zentralregierung in Kinshasa. Dieser Zustand war durchaus von Belgien beabsichtigt: Der zuständige belgische Kolonialminister August De Schryver vertraute im Herbst 1959 einem Gesprächspartner an, dass er darauf warte, im „entstehenden Chaos um Hilfe gerufen zu werden“ (nach Van Bilsen, 1994).

Das Wahlergebnis hatte Lumumbas Mouvement National Congolais mit 33 von 137 Sitzen zur stärksten Fraktion des zersplitterten Parlaments gemacht. Dieses Ergebnis war von Belgien und den USA, die Lumumba als Kommunisten verdächtigten und eine Hinwendung des rohstoffreichen und größten subsaharischen Landes zum Lager anderer sozialistischer Staaten unter allen Umständen verhindern wollten, nicht erwünscht. Ihr Favorit war der eher gemäßigte Kasavubu. Zugleich zerbrach die bisher nur durch die Unabhängigkeitsbewegung zusammengehaltene Allianz, und interne Konflikte brachen auf." (Wikipedia)


Einen ausführlichen Bericht zu den Zusammenhängen und den Entwicklungen bis zu Patrice Lumumbas Tod findet man in der Wochenzeitung ZEIT vom 5.1.2023 innerhalb der Serie "Sternstunden der Menschheit". Daraus hier der folgende Abschnitt:

"[...] Pa­tri­ce Lu­mum­ba stammt aus ei­ner ar­men Fa­mi­lie aus der Pro­vinz. Er geht auf ei­ne ka­tho­li­sche Mis­sio­nars­schu­le, spä­ter ar­bei­tet er für die Post und, nach­dem er nach Léo­pold­vil­le ge­zo­gen ist, für ei­ne Braue­rei. Was be­schei­den klin­gen mag, ist der Be­ginn ei­nes atem­lo­sen Auf­stiegs. Lu­mum­ba ist in vie­lem, was er tut, der Bes­te.

Nach der Ar­beit be­sucht er an der Abend­schu­le Fran­zö­sisch­kur­se, es dau­ert nicht lan­ge, da spricht er die Spra­che bes­ser als vie­le Bel­gi­er im Kon­go. Er liest wie be­ses­sen po­li­ti­sche Li­te­ra­tur, bald schreibt er Ar­ti­kel für bel­gi­sche Zei­tun­gen. Mit An­fang drei­ßig gilt der Mann, der tags­über noch im­mer Bier ver­kauft, als ei­ner der füh­ren­den Den­ker des Kon­go.

Im De­zem­ber 1958 fliegt Lu­mum­ba nach Gha­na. Die Re­gie­rung dort hat Frei­heits­kämp­fer aus ganz Afri­ka ein­ge­la­den. Lu­mum­ba kommt als Un­be­kann­ter und geht als Star. Er hält ei­ne der bes­ten Re­den und fin­det in Gha­nas Prä­si­dent Kwa­me Nkru­mah ei­nen Men­tor und Freund. Die bri­ti­sche His­to­ri­ke­rin Su­san Wil­liams sieht in die­ser Rei­se ei­ne »po­li­ti­sche und per­sön­li­che Of­fen­ba­rung«. Nach sei­ner Rück­kehr hält Lu­mum­ba in Léo­pold­vil­le ei­ne Ver­samm­lung ab. Et­wa zehn­tau­send Men­schen ju­beln ihm zu und ru­fen: »In­dé­pen­dence im­mé­dia­te!«, Un­ab­hän­gig­keit so­fort!

Zwei­mal reist Lu­mum­ba nach Kai­ro, je­weils für meh­re­re Wo­chen. Dort hat ein ägyp­ti­scher Di­plo­mat in ei­ner Vil­la am Nil ei­ne Art Bot­schaft für afri­ka­ni­sche Frei­heits­kämp­fer er­öff­net. Ver­tre­ter aus Ma­la­wi, An­go­la, Al­ge­ri­en, dem Su­dan und an­de­ren Län­dern ha­ben dort Bü­ros und dis­ku­tie­ren über ih­ren Wi­der­stand ge­gen die bri­ti­schen, fran­zö­si­schen, por­tu­gie­si­schen Ko­lo­ni­al­her­ren. Es sind Kämp­fe, die meist mehr mit po­li­ti­schem Druck als mit Ge­weh­ren und Bom­ben ge­führt wer­den. Ägyp­ten hat sich un­ter Prä­si­dent Ga­mal Ab­del Nas­ser der pan­afri­ka­ni­schen Idee ver­schrie­ben, und Teil die­ser Idee ist es, dass man die mäch­ti­gen Eu­ro­pä­er nur ge­mein­sam be­zwin­gen kön­ne – und dass man da­für An­füh­rer braucht, die für ganz Afri­ka spre­chen kön­nen. Kaum je­mand scheint bes­ser ge­eig­net als Pa­tri­ce Lu­mum­ba.In Ägyp­ten freun­det sich Lu­mum­ba mit sei­nem Gast­ge­ber an, dem ägyp­ti­schen Di­plo­ma­ten, ei­nem fein­geis­ti­gen In­tel­lek­tu­el­len und Spra­chen­lieb­ha­ber na­mens Mo­ham­mad Ab­del Asis Ischak. Die bei­den ver­brin­gen so viel Zeit mit­ein­an­der, dass Ischaks Kin­der Lu­mum­ba bald »On­kel Pa­tri­ce« nen­nen.

Im Kon­go be­kommt die Par­tei, die Lu­mum­ba ge­grün­det hat, das Mou­vement Na­tio­nal Con­go­lais (MNC), von Wo­che zu Wo­che mehr Zu­lauf, aus al­len Ge­sell­schafts­schich­ten und fast al­len Re­gio­nen des Lan­des. Wäh­rend die meis­ten Par­tei­en für ei­nen eher lang­sa­men Ab­zug der Bel­gi­er ein­tre­ten oder so­gar für ih­ren Ver­bleib in Tei­len der Ge­sell­schaft, for­dert Lu­mum­ba ei­ne schnel­le Un­ab­hän­gig­keit und ech­te Frei­heit von der Ko­lo­ni­al­herr­schaft.

Die­se Po­si­ti­on macht ihn im Kon­go zum be­lieb­tes­ten Po­li­ti­ker – und in Bel­gi­en zu ei­ner Ge­fahr. Denn die Brüs­se­ler Re­gie­rung hat kei­nes­wegs vor, sich kom­plett aus dem Land zu­rück­zu­zie­hen. Da­für ist der Kon­go öko­no­misch zu wich­tig. Sie ist fest ent­schlos­sen, hin­ter der Fas­sa­de der Un­ab­hän­gig­keit wei­ter die Ent­schei­dun­gen zu tref­fen. Mit ei­nem Pre­mier­mi­nis­ter Lu­mum­ba dürf­te das schwie­rig wer­den. [...]

Der Panafrikanismus der Fünfziger- und Sechzigerjahre hatte sich erhofft, dass überall in Afrika die Menschen das Joch des Kolonialismus abschütteln und die neuen, unabhängigen Staaten, einander in Freundschaft verbunden, prosperieren würden.

Stattdessen folgte dem Kolonialismus in vielen Ländern ein neues Joch. Das der Langzeitdiktatoren, die das eigene Volk knechten. Mobutu war keine Ausnahme, er war die Regel."

Über das Schicksal das Lumumba aufgrund seiner übermächtigen Gegner ereilte, berichtet die Wikipedia so sachlich, wie man so etwas darstellen kann:

"Die belgische Regierung sah Lumumba als eine Gefahr an, da er als Sozialist die reichen Bergbau- und Plantagen-Gesellschaften verstaatlichen wollte. Der belgische Staat übte auf die Medien Druck aus, um das Image Lumumbas zu ruinieren. Die belgische Presse bezeichnete ihn als Kommunisten und Anti-Weißen, was er immer zurückwies. Eine westdeutsche Zeitungskarikatur bezeichnete Lumumba sogar als Negerpremier. Nach seinem Tod lautete der Titel einer belgischen Zeitung „der Tod des Satans“ (la mort de Satan).

Lumumba versuchte, die heterogenen Kräfte zu einen, die Einheit des Landes zu bewahren und seine Partei zu einer einheitlichen nationalen Bewegung nach dem Vorbild Ghanas unter Kwame Nkrumah aufzubauen. Dem standen die im Kongo verbliebenen Weißen – Siedler, Geschäftsleute und die nach wie vor unter der Führung von belgischen Offizieren stehende Armee –, aber insbesondere die Großmacht USA entgegen.

Zuvor hatte Lumumba bei einem Besuch bei US-Präsident Dwight D. Eisenhower nicht die gewünschte Unterstützung erhalten, und es wurde der US-Seite klar, dass Lumumbas Politik die Interessen amerikanischer Unternehmen gefährden würde, die am belgischen Monopol der Mineralausbeutung in der Provinz Katanga beteiligt waren. Einige Wochen später wurde von Mitarbeitern der Joint Chiefs of Staff bei einer informellen Konferenz mit Vertretern von Central Intelligence Agency (CIA), State Department und Department of Defense die Ermordung Lumumbas vorgeschlagen.[6] Als Lumumba die Sowjetunion um militärische Unterstützung gegen die belgischen Truppen bat, kam sein vom CIA abgefangenes Telegramm schneller in Washington als in Moskau an. Der Kalte Krieg war auf dem Höhepunkt, und der Widerstand gegen Lumumba konnte mit der Behauptung gerechtfertigt werden, dass er beabsichtige, das Land dem Einflussbereich der Sowjetunion zuzuführen.

Am 12. Juli 1960 begab sich Lumumba in die abtrünnige Provinz Katanga. Dort stationierte belgische Truppen verweigerten seinem Flugzeug jedoch die Landeerlaubnis. Lumumba und Staatschef Kasavubu ersuchten darauf die Vereinten Nationen (UN) und deren Generalsekretär Dag Hammarskjöld um Hilfe und erklärten Belgien den Krieg. Belgien verstärkte daraufhin seine Truppenpräsenz in Katanga, und die UN entsandten erste Verbände nach Léopoldville.

Im August 1960 wies CIA-Direktor Allen Welsh Dulles die Niederlassung in Kinshasa an, für die Entfernung von Lumumba aus dem Amt des Ministerpräsidenten zu sorgen. Zuerst versuchten dies die CIA-Agenten in Kooperation mit dem belgischen Geheimdienst mit politischen Mitteln zu erreichen. Abgeordnete wurden bestochen, damit sie ein Misstrauensvotum gegen Lumumba initiierten, Demonstrationen orchestriert und ein Kontakt mit Mobutu hergestellt, der zu dieser Zeit Chef des Stabes der kongolesischen Armee war. Der Leiter der CIA im Kongo, Lawrence R. Devlin, machte ihm finanzielle Zusagen, sollte er mit der Armee auf die Hauptstadt vorrücken.[7]

Die folgenden Ereignisse wurden unter dem Begriff „Kongo-Wirren“ bekannt. Staatspräsident Joseph Kasavubu verbündete sich mit Unterstützung der USA mit Oberst Joseph Mobutu (der sich später Mobutu Sese Seko nannte), einem früheren Weggefährten Lumumbas, gegen jenen. Lumumba wurde am 5. September 1960 auf Drängen der USA aus seinem Amt als Ministerpräsident entlassen. Kasavubu machte Lumumba öffentlich für Massaker durch die Streitkräfte während der Invasion von Süd-Kasai und für die Beteiligung der Sowjets im Land verantwortlich.[8] Lumumba erklärte daraufhin Kasavubu für abgesetzt. Einen Tag später machte das kongolesische Parlament Lumumbas Entlassung wieder rückgängig. Am 12. September 1960 veranlasste Kasavubu die neuerliche Entlassung und beauftragte den neuen Oberkommandierenden der Armee, Mobutu, mit der Verhaftung Lumumbas. Er konnte sich dieser jedoch entziehen.

Am 14. September 1960 übernahm die Armee unter Mobutu in einem mit den USA abgesprochenen Putsch die Macht. Kasavubu blieb offizielles Staatsoberhaupt. Lumumba wurde unter Hausarrest gestellt, blieb aber unter dem Schutz der UN-Truppen.[9] Daraufhin erhielt der Leiter der CIA im Kongo, Lawrence R. Devlin, den Auftrag, Lumumba zu töten, nach einigen Quellen auf Befehl von US-Präsident Dwight D. Eisenhower persönlich, führte diesen Auftrag aber nicht aus.[10][11][9]

Am 27. November 1960 gelang Lumumba die Flucht aus Léopoldville; kurz darauf wurde er von Oberst Mobutus Truppen bei Mweka (Kasaï) festgenommen und am 1. Dezember 1960 nach Thysville gebracht, um für einen Gerichtsprozess zur Verfügung zu stehen. Nach einer Militärmeuterei in Thysville am 13. Januar 1961 konnte Lumumba am 17. Januar mit zwei seiner Getreuen nach Élisabethville (Katanga) fliehen. Dort wurde er bei seiner Ankunft angegriffen und tauchte darauf wieder unter. Am 10. Februar verbreitete sich das Gerücht, dass er entkommen sei. Von der Regierung Moïse Tschombés wurde am 13. Februar bekanntgegeben, dass Lumumba von gegen ihn feindlich eingestellten Einwohnern getötet worden sei. Weil das Ersuchen des Roten Kreuzes, ihn während seiner Gefangenschaft in Katanga sehen zu können, konsequent abgelehnt worden war, besteht weitgehend die Annahme, dass das Regime ihn bereits vor der Bekanntgabe seines Todes ermordet hat. In vielen Teilen der Welt fanden angesichts dieser Ereignisse Protestveranstaltungen statt.[12][13] Andere Quellen gehen vom 17. Januar 1961 als seinem Todestag aus und unterscheiden sich hinsichtlich der Darstellung der Todesumstände.[1][14]" (Wikipedia)

Die gegenwärtige Situation in der Demokratischen Republik Kongo ist durch viele Terroranschläge gekennzeichnet.

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