Montag, 16. Januar 2023

Klimawandel und Ungleichheit

Solomon Hsiang:

"Unsere Welt ist zu tiefst ungleich. Es gibt heute reiche Gesellschaft mit einem Lebensstandard und Chancen, die vor ein paar Jahrhunderten unvorstellbar gewesen wären, und auf der anderen Seite ärmere Gesellschaften, deren Zugang zu Ressourcen, Gesundheitsversorgung und Technologie sich seit diesen Zeiten kaum verändert hat. [...] Wenn reichere Gesellschaften durch den Klimawandel ärmer und ärmere Gesellschaften reicher würden, könnte der Klimawandel die globale Ungleichheit verringern. Wenn jedoch reichere Gesellschaften eher von der Erderwärmung profitierten und ärmere Gesellschaften eher geschädigt würden, müssten wir erwarten, dass der Klimawandel die Ungleichheit noch verstärkt. [...] 

Die Forschung lässt erkennen, dass es zwei Hauptgründe gibt, weshalb in der Welt ärmere Populationen eher unter dem Klimawandel leiden als reichere. Erstens verfügen ärmere Gesellschaften über geringere Ressourcen [...]. Der zweite Grund ist weniger bekannt, aber potentiell sogar nach bedeutsamer: Die Auswirkungen der Temperatur auf viele für die Menschen wichtige Ergebnisse sind nichtlinearer Art. [...] Wenn eine Gemeinschaft in einer kälteren Regionen (z.B. in Norwegen) lebt, ist die Erwärmung durchaus hilfreich - [...]. Lebt eine Gemeinschaft in einer gemäßigten Regionen (z.B. Iowa in den USA), hat die Erwärmung kaum Auswirkungen auf das Wohlergehen. Viele Studien zeigen, dass die 'ideale' Durchschnittstemperatur zwischen 13 und 20 °C liegt. Lebt eine Gemeinschaft in einer heißen Region (z.B. Indien), ist eine weitere Erwärmung schädlich – sie vernichtet Ernten, verstärkt die Ausbreitung vektorübertragener Krankheiten und verlangsamt das Wirtschaftswachstum. Ein Grad zusätzliche Erwärmung hat nicht überall denselben Effekt, und das hat tiefgreifende Folgen für die Ungleichheit.

Der nichtlineare Effekt der Temperatur ist deshalb so wichtig, weil die armen Populationen heute eher in deutlich heißeren Regionen leben. [...] Deshalb haben ärmere Populationen beim Klimawandel eine schlechtere Ausgangsposition, da sie in heißen Regionen leben, in denen die weitere Erwärmung besonders schädlich ist, während die reicheren Populationen in kühleren Regionen leben, in denen die Erwärmung geringere Schäden verursacht – und zuweilen sogar vorteilhafter ist." (Grete Thunberg: Das Klima-Buch, S.199-202)

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