Montag, 7. April 2025

Ursachen für Konflikte und Kriege in Afrika

 "[...] Nicht nur wirtschaftliche und politische Gründe sind für die Konflikte in Afrika ins Feld geführt worden. Ein weiterer Erklärungsansatz, der sich vor allem in den Medien großer Beliebtheit erfreut, sieht ihre Ursache in der Vielzahl von Volksgruppen mit ihren kulturellen und traditionellen Gegensätzen, die durch die koloniale Grenzziehung in künstliche Staatsgebilde gepresst wurden. Dieser Erklärungsansatz verwechselt Ursache mit Symptom. Eine geringe Wirtschaftskraft bei steigender Bevölkerung, die Knappheit von Ressourcen wie Land und Wasser führen unvermeidlich zu Verteilungskonflikten zwischen gesellschaftlichen Gruppen. Da die soziale Schichtung - in Bauern, Arbeiter und Unternehmer, in Unter-, Mittel- und Oberschicht - in den meisten afrikanischen Gesellschaften nach wie vor gering ist, formieren sich diese Verteilungskonflikte überwiegend entlang ethnischer Trennlinien. Hinzu kommt die Schwäche afrikanischer staatlicher Institutionen: Konkurrierende gesellschaftliche Gruppen vertrauen nicht darauf, dass das Parlament oder die Gerichtsbarkeit die Konflikte lösen, sondern sie setzen auf die Durchsetzungsfähigkeit eines ihre Gruppe vertretenden starken Mannes, der seinen Führungsanspruch wiederum vorwiegend ethnisch definiert. Des Weiteren werden diese Auseinandersetzungen meist als Nullsummenspiele wahrgenommen, das heißt, jeder Vorteil der einen Seite bedeutet automatisch einen Nachteil für die andere, was ihnen wiederum schnell gewaltsamen Charakter verleiht. Hinzu kommt noch ein kulturelles Element: Nach wie vor sind in afrikanischen Gesellschaften soziale Normen wie zum Beispiel das Gewaltverbot sehr unterschiedlich in ihrer Geltungsweite - was gegenüber den Angehörigen der eigenen sozialen Gruppe selbstverständlich ist, gilt zuweilen gegenüber Außenseitern nur sehr eingeschränkt.

Verteilungskonflikte und die mangelnde Fähigkeit der Politik, zu ihrer Lösung beizutragen, können in einem komplexen Wechselspiel als wichtigste Ursachen für die gewaltsamen Auseinandersetzungen in Afrika angesehen werden. Diese These beantwortet aber nicht die Frage, warum die Konflikte gerade im Lauf der 1990er Jahre mit besonderer Vehemenz losbrachen. In diesem Zusammenhang kommt das Ende des Ost-West-Konflikts zumindest indirekt ins Spiel, da es zwei wesentliche Veränderungen für Afrika mit sich brachte:

Zum einen wurde die Entwicklungshilfe stark reduziert. Die Staaten Afrikas wurden nicht mehr als Hilfstruppen in der internationalen Konkurrenz der Blöcke gebraucht. Gleichzeitig wurden die Zahlungen verstärkt an politische Reformen in Afrika gebunden; dies förderte die ohnehin spürbare demokratische Aufbruchstimmung auf dem Kontinent. Auf die Verteilungs- und Machtkonflikte des Kontinents hatte dies unmittelbare Auswirkungen: Den autoritären Herrschern wurden neben der Legitimität wichtige Finanzmittel entzogen, die sie benötigten, um interne Verteilungskonflikte zu mildern. [...]

Der vorliegende Text ist aus den Informationen zur politischen Bildung Nr. 303 Afrika - Schwerpunktthemen: Herausforderungen und Chancen für die Politik  Abschnitt: Neue und alte Kriege 2009, S.16/17 übernommen



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