Donnerstag, 20. November 2025

Kamerun : das Land der stillen Ungerechtigkeiten

 Achebe hat schon 1958 auf einen auffallenden Unterschied in afrikanischen Gesellschaften vor der Besetzung durch Kolonialherren aufmerksam gemacht. Im 14. Kapitel seines Romans "Things fall apart" stellt Uchendu die Frage: "Weshalb wohl bringen wir eine tote Frau zurück in ihr Dorf, dass sie bei ihren Verwandten begraben wird und nicht bei den Verwandten ihres Mannes? Warum?"

Als keiner ihm antworten kann, gibt er die Antwort:  

Es ist wahr, dass ein Kind seinem Vater gehört. Wenn aber der Vater das Kind schlägt, läuft es zu seiner Mutter. Ein Mann gehört in das Land des Vaters, wenn alles gut geht und es süß ist, zu leben. Wenn aber Sorge und Bitternis kommen, ist das Land der Mutter seine Zuflucht. Die Mutter ist dort begraben und wird ihn beschützen. Und deshalb sagen wir, dass wir Mutter das Haupt ist."

Eine ähnliche Frage stellt sich heute: 

Warum sind es, wenn es gut läuft, immer dieselben Namen, die man hört und die auftauchen: Atangana, Ondoa, Mbarga, Amougou, Mvondo, Akame … wie ein Refrain, den man auswendig kennt? Sobald es um Ernennungen, Beförderungen oder Belohnungen geht, wählt der Zufall oder vielleicht doch die unsichtbare Hand des Systems, immer aus demselben Korb. Aber wenn es um Sanktionen, Verweise oder Ausgrenzungen geht, dann wird das Land plötzlich "gerecht". Jeder hat ein Recht auf seinen Teil der Demütigung, insbesondere diejenigen, die die richtigen Namen nicht tragen, diejenigen, die die richtigen "Paten" nicht haben. Was ist das also für ein Land, in dem die Kompetenz durch Zugehörigkeit gemessen wird, in dem das Verdienst in den Fluren verhandelt wird und in dem die Loyalität gegenüber dem Vaterland weniger Wert hat als die Loyalität gegenüber einer Ethnie ? Hier muss ein Beamter oder ein aus der niedrigen Schicht stammender Angestellter, der seine ganze Jugend dem Staat gewidmet hat, noch um sein Rentengeld betteln und oft wird ihm ins Ohr geflüstert : "Bring 50% , wenn du willst, dass dein Antrag vorankommt!". 50 % wovon? Von seiner Würde, von seinen harten Dienstjahren. Was für ein Unsinn! ...

Ein Land, in dem man, um zu bekommen, was einem zusteht, wo es keine soziale, rechtliche und medizinische Fürsorge gibt, noch den Preis der Ungerechtigkeiten zahlen muss. Währenddessen fahren diejenigen, die nie die Mühe des Feldes mitgefühlt, miterlebt haben, in Luxusautos, die auf dem Rücken der Bescheidenen gekauft wurden. Diejenigen, die nie unter der Sonne der öffentlichen Verwaltung geschwitzt haben, treffen die Entscheidungen für diejenigen, die alles gegeben haben. Und die wahren Erbauer des Landes, sie sterben in Vergessenheit, in totaler Gleichgültigkeit.

Ja, nichts funktioniert normalerweise in diesem Land, weil man den Sinn und das Zugehörigkeitsgefühl zum Staat gegen den zum Clan eingetauscht hat. Weil man den öffentlichen Dienst mit dem Dienst für Freunde und feste Bekannte verwechselt hat. Weil man die Justiz in gut organisierte Ungerechtigkeit verwandelt hat. Aber ein Land kann nicht auf Ungleichgewicht und Ausgrenzung aufgebaut werden. Der Tag, an dem die Kameruner verstehen werden, dass die Nation wichtiger als ein Stamm, heiliger als ein Name ist, an diesem Tag wird das Verdienst an die Stelle von Begünstigung und Nepotismus treten, die Gerechtigkeit an die Stelle der Angst und die Würde zur Norm werden.

Im Augenblick gehen wir allmählich in die Dunkelheit, ins Chaos, aber die Wahrheit kommt zwar langsam voran, aber sie fällt nie aus. Eines Tages wird sie an die Tür derjenigen klopfen, die glaubten, ihre Macht sei ewig.

Loulou

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