Freitag, 14. November 2025

Négritude, Afrikanität, Afripolitan

 Von Theodor Michael ("Deutsch sein und Schwarz dazu")  haben wir gelernt, dass das Wort Négritude ihm unpassend erschien, weil er darin die abwertende Bedeutung der Wörter nigger und Neger mitempfand, bis er merkte, dass es etwas anderes ausdrückte, nämlich die Gemeinsamkeit aller Ethnien Afrikas unabhängig von ihrer staatlichen Zugehörigkeit. Deswegen prägte er, vom Deutschen her kommend, den Ausdruck Afrikanität, der die Gemeinsamkeit der afrikanischen Kultur betont.

Die nigerianisch-schottisch-ghanaische Autorin Taiye Selasi prägte dagegen den Ausdruck Afripolitan, der eine Zusammensetzung aus den Begriffen Afrika und Kosmopolitismus ist und einen afrikanischen Weltbürger bezeichnet. Der Kameruner Achille Mbembe, den wir in der Nachbarschaft wiederholt vorgestellt haben, verwendet denselben Ausdruck, betont darin aber weniger die Seite des Weltbürgers als eine im Sinne des Postkolonialismus afrikanische Weltsicht. Im Rückblick auf den Sklavenhandel, der eine erzwungene Versetzung in eine andere Kultur bedeutet, betont er in seiner Ethik des Passanten das Recht aller Menschen, sich frei zu bewegen, und in seiner Kritik der schwarzen Vernunft, dass wir uns als Gattung anstrengen können, die Erde unter all ihren Bewohnern, die ihre gemeinsamen Eigentümer sind, gerecht zu teilen.

In der Nachbarschaft haben wir auch den Kameruner Schriftsteller Hilaire Mbakop mit seinen Schriften wiederholt vorgestellt. Er unterrichtet jetzt in Deutschland, weil ein wichtiger Teil seines Werks auf Deutsch geschrieben ist, Deutsch als Muttersprache. Es ist ganz im Sinne unseres internationalen Kulturaustauschmagazins Nachbarschaft, dass er so der jungen Generation Deutschlands deutsche Kultur nahe bringt, die für sie zunächst noch sehr fern liegt. Wenn sie Goethe oder Kant hören, sind das zunächst, wenn sie die überhaupt kennen, nur Namen und die Vorstellung eines Weltbürgers, wie sie in Kants Schrift Zum ewigen Frieden vorgestellt wird, ist ihnen naheliegender Weise noch fremd. Besonders jetzt, wo Krieg recht nahe an die Grenze der Europäischen Union herangerückt ist.

Es ist kein Zufall, dass der Gedanke von der Gemeinsamkeit der Afrikaner wie in der Überschrift dieses Artikels in drei verschiedenen Sprachen formuliert ist: auf Französisch, Deutsch und Englisch. Alle drei sind Sprachen ehemaliger Kolonialstaaten. Afrika hat keine alle Ethnien zusammenfassende Sprache (genauso wie die Welt insgesamt, auch wenn der Ausdruck Weltsprache immer wieder gebraucht wird).

Taiye Selasi lebt in Großbritannien Achille Mbembe lehrt in Südafrika, Hilaire Mbakop in Deutschland. Wenn wir uns nicht besser verstehen, werden wir Weltprobleme wie den Klimawandel, den Verlust der Biodiversität und die Herausforderung durch die Künstliche Intelligenz (wie sie für uns Menschen nützlich und nicht schädlich gemacht werden kann) nicht gemeinsam angehen können. 

Aber über den Kulturaustausch wird uns auch klar, dass nationale Probleme zum Glück nur beschränkt sind und dass international an ihrer Überwindung gearbeitet werden kann.

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