Samstag, 18. Oktober 2025

Theodor Michael: Deutsch sein und schwarz dazu

 Mit dem Artikel über die Geschichte Afrikas aus afrikanischer Sicht von Zeinab Badawi haben wir hier in unserem Blog erstmals einen Blick zurück in die Geschichte vor vielen Jahrhunderten getan, um im Sinne des Kulturaustauschs nicht nur die gegenwärtige afrikanische und europäische Kultur zu betrachten, sondern sondern auch ihren historischen Hintergrund einzubeziehen. 

Der Hintergrund der europäischen Geschichte mit der industriellen und der französischen Revolution wird genauso wie der der Menschheitsgeschichte mit der Herkunft aus Afrika und den Hochkulturen im nordafrikanischen (Ägypten), asiatischen (Sumerer, Babylonier, Inder, Chinesen) und europäischen Raum (Griechen, Römer) mehr oder minder genau im allgemeinen Schulunterricht behandelt (vgl. Menschheitsgeschichte (Wikipedia und Wikibooks). Die Geschichte des 20. und 21. Jahrhunderts kennt man auch aus dem Schulunterricht, doch die Geschichte davor kommt dort meist zu kurz. 

Deshalb ist das Buch von Badawi  so wichtig. In dem hier vorgestellten Buch geht es aber um die persönliche Lebensgeschichte eines Mannes der aus Kamerun stammte und in Deutschland  aufwuchs und der einen Blick auf Kamerun und Deutschland hat, den wir alle nicht kennen. Das zeigt sich daran, dass die Bezeichnungen von Gebieten aus Kamerun, die er verwendet, in der Wikipedia weitestgehend nicht vorkommen und dass er von einem Deutschland berichtet, in dem Afrikaner so unbekannt waren, dass man sie in Völkerschauen als Attraktionen im Zirkus vorführte (in anderen Sprachen verwendet man oft den Ausdruck Zoo: frz. zoo humain, engl. human zoo 

"[...] Theophilus Wonja Michael wurde, so steht es im Familienstammbuch, am 14. Oktober 1879, 5 Jahre vor Beginn der deutschen Kolonialherrschaft, in Victoria, im Bimbaland an der Atlantikküste Kamerun geboren. Heute heißt dieser Landstrich, Malimbe. Seine weitverzweigte Familie hieß ursprünglich M'Bele, nach andere Schreibweise und auch phonetisch 'M'Bella'. Der in der deutschen Kolonialgeschichte bekannte William Bell, der den Vertrag über den Anschluss des Duala-Landes an Deutschland aus ausgehandelt hat, kommt auch aus dieser Familie. Bell entspricht M'bele. Das konnten die Europäer nur schwer aussprechen und ließen deshalb das 'M' weg. Der Großvater meines Vaters wurde am Michaelitag getauft und seitdem ist Michael unser Familienname. 

Einer der Vorfahren meines Vaters war Bona N'golo Mbimbi a M'bele. Er war der Namensgeber des späteren Bimbia. Mag sein, / dass sich auch der abwertende Begriff Bimbo für Schwarze davon herleitet. Dieser Mann war einer der berüchtigten afrikanischen Fürsten gewesen, die in der Zeit des Sklavenhandels reich und mächtig wurden. Die in den europäischen Quellen üblichen Bezeichnungen, 'Häuptling' oder 'Chief' sind eher irreführend. Es waren Männer, die die Elite ihrer Völker bildeten, in einer Sozialstruktur, die an diesem Teil der Küste weitgehend feudalistisch war. Als die Baptisten aus der Karibik um die Mitte des 19. Jahrhunderts im Lande Bimbia Fuß fassten und die Missionsstation Victoria gründeten, war die frühere Macht dieser Fürsten allerdings größtenteils dahin geschwunden. Die ersten Europäer, die in das Land kamen, berichteten von endlosen Kämpfen und Auseinandersetzungen unter den führenden Familien, von Intrigen und Kabalen [Streitigkeiten], die sie untereinander und miteinander führten. Einige dieser Potentaten waren nicht unfroh, als sich die europäischen Mächte, England, Frankreich und Deutschland, plötzlich für diese Küstenstreifen zu interessieren begannen. Erhofften sie sich doch, die Fremden für die Durchsetzung ihrer eigenen, persönlichen Ziele einsetzen zu können.

Bekanntlich kam es nicht so. Den Wettlauf um Kamerun gewannen die Deutschen, und die hatten ganz andere, eigene Vorstellungen und Ziele als die einheimischen Potentaten. Ab etwa 1875 hatten Kaufleute aus Hamburg und Bremen begonnen, mit den 'Chiefs' an der Küste Handel zu treiben. Diese Kaufleute wollten ungehindert ihren Geschäften nachgehen, und zwar auch im Hinterland von Kamerun. Das wiederum wurde Ihnen von ihren afrikanischen Geschäftspartnern, die selbst den Handel im Hinterland für sich monopolisiert hatten, verweigert. Damit wollten sich der Hanseaten nicht abfinden und verlangten, dass die Beauftragten der Regierung in Berlin so genannte 'Schutzverträge' zu ihren Gunsten mit den einheimischen Fürsten und Königen abschlossen. Ein solches Ansinnen stand zunächst im Widerspruch zu den Plänen des damaligen Reichskanzlers Otto von Bismarck. Er war eigentlich ganz und gar gegen Kolonien. Denn deren Unterhalt würde den Staat – seiner Meinung nach – nur Geld kosten und nichts einbringen als Ärger, den das deutsche Kaiserreich, so kurz nach seiner Gründung und / dem Ende des deutsch-französischen Krieges von 1870/71 nicht gebrauchen konnte. 
Aber das berüchtigte Scramble for Africa hatte begonnen, und die Reichsregierung folgte diesen Forderungen. letztlich doch. Man entsandte Gustav Nachtigal, den deutschen Konsul in Tunis, um entsprechende Verträge mit den afrikanischen Fürsten zu schließen. Darin nannte man diese Länder irreführend 'Schutzgebiete', nach damaliger Rechtsauffassung Protektorate, eine Zwitterbezeichnung. Am Ende setzte sich der Begriff 'Schutzgebiet' für die deutschen Kolonien durch und hielt sich auch über das Ende der deutschen Kolonialzeit hinaus." (S.12-14)"





(wird fortgesetzt)

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