Patrice Nganang wurde 1970 in Yaoundé, Kamerun, geboren. Dort begann er sein Studium, das er 1994 als DAAD-Stipendiat an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main mit einer Promotion abschloss. Danach ging er mit einem Postdoktoranden-Stipendium an die Freie Universität Berlin. Seit dem Jahr 2000 lebt Nganang in den USA, wo er seit 2007 an der Stony Brook University im Bundesstaat New York lehrt. Der Schriftsteller hat mehrere Bücher veröffentlicht, 2003 erhielt er den "Grand prix littéraire d'Afrique noire" für seinen 1999 erschienenen Roman "Hundezeit", der auch mit dem "Prix Littéraire MargueriteYourcenar" ausgezeichnet wurde.
Acht Jahre Arbeit
Acht Jahre hat Nganang an "Schatten des Sultans" gearbeitet und dabei in Archiven und Bibliotheken in Deutschland, den USA und Frankreich recherchiert, ebenso aber seine Informationen im heutigen Kamerun selbst gefunden.
Sein historischer Roman über das koloniale Kamerun schildert in der Rahmenhandlung die Geschichte einer jungen amerikanischen Historikerin kamerunischer Abstammung, die in der Hauptstadt Yaoundé auf die 80-jährige Sara trifft. Diese war als Neunjährige dem Sultan Njoya als Frau zum Geschenk gemacht worden, konnte sich aber verkleidet als vermeintlicher Sohn einer Sklavin noch für einige Jahre ihrem Los entziehen, bis sie doch zu einer der vielen Frauen im Harem des Sultans wurde.
Der jungen Historikerin erzählt Sara im Rückblick die Geschichten, die sie im Laufe ihres langen Lebens am Hof erlebt hat. Nicht immer schenkt die Wissenschaftlerin den Erzählungen der alten Frau Glauben, und so geht das Buch auch der grundsätzlichen Frage nach, welchen Wert die mündliche Überlieferung durch Zeitzeugen im Verhältnis zu den in Archivmaterial enthaltenen Informationen hat.
Komplexe Konstruktion
So komplex ineinander verwoben wie die koloniale Geschichte Kameruns (zunächst deutsche Kolonie, dann Aufteilung in Britisch-Kamerun und Französisch-Kamerun) ist die Konstruktion des Romans, der rund hundert Jahre zurückblickt und auch eine Referenz an die historische Figur des Sultans Njoya ist. Dieser entwickelte unter anderem ein eigenes Alphabet und eine eigene, nationale Religion und wird bis heute von den Bamun sehr verehrt.
Njoya bemühte sich um ein gutes Verhältnis zum Deutschen Kaiserreich und war preußischen kulturellen Einflüssen gegenüber sehr aufgeschlossen. Im Roman arbeitet der Vater der kleinen Sara als Lektor in Berlin - auch er eine historische Figur. Er liest Rilke und die Buddenbrooks. "Darf ich um ein Bier ersuchen?", mit dieser Frage transportiert er im Jahr 1913 deutsche Bildungsbürgerlichkeit in eine proletarische Berliner Kneipe - zur entzückten Belustigung der Anwesenden, die ihm nun ein Bier nach dem anderen spendieren.
Ein Kapitel des Romans las Patrice Nganang selbst in französischer Sprache und gab den Zuhörern damit einen Eindruck von der rhythmischen Musikalität der Originalfassung des Romans. Die Veranstaltung stieß auf großes Publikumsinteresse und wurde von Dr. Almut Seiler-Dietrich moderiert. Die Literaturwissenschaftlerin mit Schwerpunkt afrikanische Literatur arbeitete bis 2008 als Gymnasiallehrerin für Französisch, Russisch und Spanisch - zuletzt am AKG in Bensheim. Ihr Ehemann Hans-Jürgen Dietrich las Textpassagen aus der deutschen Buchausgabe. eba
© Bergsträßer Anzeiger, Mittwoch, 05.06.2013