Montag, 31. Dezember 2012

Wie Schach ein Leben veränderte

Es braucht also nicht immer Fußball zu sein ...
"Es war ein wirklich hartes Leben. Ich schlief auf der Straße", sagte Phiona über ihr Leben vor dem Schach. Im Alter von etwa drei Jahren war sie bereits Halbwaise, ihr Vater war an Aids gestorben – wie so viele Väter in Katwe. [...] Weil ihre Mutter die Familie von diesem Zeitpunkt an ganz allein ernähren musste, kehrte sie oft tagelang nicht heim. [...] An einem Abend, an dem Phiona wieder allein war und nach etwas Essbarem bettelte, traf sie auf Robert Katende, einen Missionar und Schachlehrer. Er machte ihr ein Angebot: Sie sollte etwas zu essen bekommen, aber nur gegen eine Schachlektion. 
So weit er Bericht der Welt.
Inzwischen ist sie dreimalige Juniorenmeisterin von Uganda, reist zu internationalen Wettkämpfen, hat Englisch gelernt und hat sich vorgenommen, Medizin zu studieren.

Nicht jeder ist ein Schachgenie, genauso wenig wie ein Spitzenfußballer. Aber wenn wir Straßenkinder sehen, sollten wir bedenken: Darunter sind manche, die viel mehr könnten als wir und unsere Freunde. Man müsste ihnen nur die Gelegenheit geben, es zu beweisen.

Montag, 24. Dezember 2012

Interview mit Hilaire Mbakop, Wissenschaftler und Schriftsteller aus Kamerun


Nachbarschaft : Es freut uns wirklich sehr, Sie in unserem Magazin herzlich empfangen zu können.
Obwohl wir schon einen Blick auf Ihren Lebenslauf und Ihre Bibliografie geworfen haben, gestatten Sie uns, Sie  zunächst zu fragen, wer Sie eigentlich sind ?



                    Hilaire  Mbakop

Ich bin ein afrikanischer Germanist, Romanist und Schriftsteller. Das Licht der Welt erblickte ich am 28. Februar 1973 und zwar in der Kleinstadt Bangangté, die im Westen Kameruns liegt. Üblicherweise erwähnt der Kameruner seine Ethnie, wenn er über sich redet. Was mich betrifft, ich bin Bamiléké. Ich besuchte die katholische Schule in meiner Geburtsstadt und im Dorf Batchingou. Danach ging ich aufs Gymnasium, wo ich 1992 das Abitur bestand.  Anschließend studierte ich Germanistik und Geschichte an der Universität Yaoundé I. Da ich die Licence-Prüfung als einer der Besten meines Jahrganges abgeschnitten hatte, gewährte mir der Deutsche Akademische  Austauschdienst (DAAD) ein sechsmonatiges Stipendium, das es mir ermöglichte, meine Abschlussarbeit an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main vorzubereiten. Kurz nachdem ich den Magister Artium in meiner Heimat erlangt hatte, flog ich nach Frankfurt am Main zurück, um zu promovieren. Im Juni 2003  erwarb ich den Doktorgrad dort mit einer Dissertation über die politischen Schriften von Heinrich Mann und André Gide. Im selben Jahr kehrte ich nach Kamerun zurück und lehrte ein Semester an der Universität Yaoundé I als freier Mitarbeiter, bevor ich zu schreiben begann. Als ich das sechste Manuskript abgeschlossen hatte, sagte ich mir, es wäre nicht schlecht, wenn ich meine Zeit zwischen meiner schriftstellerischen Arbeit und der Arbeit als Hochschullehrer aufteilen könnte. Also bewarb ich mich um eine Teilzeitstelle an der Universität Yaoundé I und wurde daraufhin eingestellt. Doch kaum dass ich einen Monat unterrichtet hatte, wurde ich entlassen! Momentan bin ich als freier Schriftsteller tätig. Ich habe bereits sieben Bücher veröffentlicht. In meiner Schublade gibt es zwei unveröffentlichte Manuskripte. Einige meiner Schriften sind in französischer, andere in deutscher Sprache verfasst. In meiner Autobiografie „Mon enfance et ma jeunesse“ (Paris, 2010) lasse ich mein Leben von Kindesbeinen bis zum Zeitpunkt Revue passieren, wo ich die erste Auslandsreise antrat.

Nachbarschaft : Die meisten Kameruner sprechen entweder Französisch oder Englisch. Warum haben Sie sich trotzdem entschieden, einige Ihrer Werke in deutscher Sprache zu verfassen?

Mbakop:
Französisch und Englisch sind die beiden Amtssprachen Kameruns. Deutsch und Spanisch dagegen werden in der Sekundarstufe sowie an der Universität unterrichtet. Das alles ist Vorschrift. Aber ein Schriftsteller ist nicht gezwungen, seine Texte in einer Sprache zu verfassen, die den meisten Menschen seines Landes vertraut ist. Das Wichtigste ist, dass er der Sprache kundig ist, in der er schreibt. Meines Erachtens kann er unmöglich ein anspruchsvolles Kunstwerk in einer Sprache hervorbringen, die er nicht gut beherrscht. Momentan kann ich literarische Texte nur deutsch und französisch schreiben. Im Englischen mache ich manchen Fehler, weshalb keines meiner Bücher in dieser Sprache verfasst ist.

Nachbarschaft : Sind Sie von deutscher Literatur beeinflusst worden und wenn ja von wem und in welcher Weise?

Mbakop:
Im Laufe der Diskussion, die es im Anschluss an die Lesung aus meinem Roman „La mort d’un handicapé“ gab, sagte eine Teilnehmerin, dass dieses Werk an Kafkas Erzählung „Die Verwandlung“ denken lasse. Ich war angenehm überrascht, denn diese Bemerkung ist zutreffend. Das bestätigte ich auch. Ich kann auch Siegfried Lenz‘ Roman „Der Verlust“ als eines der Bücher erwähnen, von denen ich beeinflusst worden bin.
Einen Monat später wies eine andere Person darauf hin, man könne eine Parallele zwischen meinem Stück „Das zerstörte Dorf“ und einigen Texten Erich Kästners über das zerstörte Dresden ziehen. Und tatsächlich wurde ich von der Trümmerliteratur beeinflusst. Gerhart Hauptmanns Drama „ Die Weber“ hatte es mir ebenfalls sehr angetan.
Als ich in Deutschland studierte, nahm ich an einem Seminar teil, das „Kindheit und Jugend in den literarischen Texten des 18. bis 20. Jahrhundert“ betitelt war. Ich hielt ein Referat über Peter Weiss‘ „Abschied von den Eltern.“ Dieses Buch fesselte mich so sehr, dass ich beschloss, meine Kindheit und Jugend auch schriftlich zu fixieren. Ich kann hier nicht alle deutschsprachigen Autoren nennen, die mich beeinflusst haben. Ich stelle es den Literaturwissenschaftlern anheim,  die intertextuellen und sogar intermedialen Bezüge in meinem Werk herauszuarbeiten.

Nachbarschaft : Was für Vorstellungen hatten Sie über Deutschland, bevor Sie nach Deutschland kamen?

Mbakop:
Ich dachte, Deutschland wäre ein Eldorado!

Nachbarschaft : Wie hat sich Ihr Deutschlandbild verändert, als Sie in Deutschland gelebt haben?

Mbakop:
Kurz nach meiner Rückkehr aus Deutschland schrieb ich den Roman „Les étrangers noirs africains.“ Ich zog es vor, meine Reiseeindrücke zu einem fiktionalen Werk zu verarbeiten. Die Begeisterung, die vor der Deutschlandreise in mir lebte, machte der Ernüchterung schnell Platz. Die Illusion, der ich mich hingab, resultierte aus vielen Faktoren: Schon am Gymnasium ließen uns die Deutschlehrer in dem Glauben, das Land Goethes sei ein fleckenloses Paradies. Später gaukelten die Dozenten der Universität Yaoundé I uns ein vergleichbares Deutschlandbild vor. Hinzu kommt, dass jede Nummer der Zeitschrift „Deutschland“ zur kostenlosen Mitnahme in der deutschen Botschaft auslag. Für mich war das ein gefundenes Fressen, zumal ich nicht in der Lage gewesen wäre, sie kostenpflichtig zu beziehen. Die glänzenden Fotos, die die Artikel illustrierten, stimmten mich träumerisch. Ich denke,  nur eine realistische Darstellung von Land und Leuten kann den Ausreisewilligen der Dritten Welt helfen, ihre Erwartungen nicht zu hoch zu spannen.

Nachbarschaft : Wie unterscheidet sich Ihre Muttersprache von der deutschen?

Mbakop:
Meine Muttersprache ist Medúmbà. Leider kann ich mich darin aber nur mündlich ausdrücken. In meiner Autobiografie bedauere ich die Tatsache, dass die Schule uns nie die Verwendung der Muttersprache im unterrichtlichen Kontext gestattet hatte. In der Schule wurden alle Fächer auf Französisch unterrichtet, und wir durften nur während der Pause Medúmbà sprechen. Zwar gibt es bereits Schulen und Zentren, wo man seine Schrift lesen lernen kann, aber ich habe noch nicht die Gelegenheit gehabt, einen solchen Kurs zu besuchen.
Wie im Deutschen sind viele Medúmbà-Wörter motiviert, das heißt, der Lernende kann sich leicht die Dinge bildhaft vorstellen, auf die die Vokabeln anspielen. Beide Sprachen enthalten also zahlreiche bilderreiche Ausdrücke.
Wenn man eine zweistellige Kardinalzahl auf Medúmbà aussprechen will, verfährt man genau wie im Deutschen; die letzte Ziffer wird also vor der ersten genannt.
Natürlich gibt es auch Unterschiede. Einer davon ist die Art und Weise, wie man jemanden anredet. Im Gegensatz zum Deutschen, wo man das Anredepronomen „du“ für eine vertraute Person und „Sie“ für einen Fremden bzw. eine Persönlichkeit gebraucht, kennt Medúmbà kein Höflichkeitsfürwort. Das erinnert an das Englische, wo jeder Adressat mit „you“ angesprochen wird, ganz gleich, wer er ist. Eine spezifische Besonderheit meiner Muttersprache ist die Tatsache, dass man selten eine Person mit ihrem Nachnamen anredet. Stattdessen benutzt man ihren Beinamen. Einem Ausländer würde seltsam zumute sein zuzuhören, wie ein Fremdenführer von allen mit einem Namen begrüßt wird, der nicht in seinem Personalausweis steht.

Nachbarschaft : Sind Sie in Ihrer Schreibweise europa- oder eher afrikaorientiert? Wie sehen Sie sich selbst also an?

Mbakop:
Ich verstehe mich als Weltbürger. Natürlich gehöre ich einer bestimmten ethnischen Gruppe und Nation an. Doch angesichts meiner vielseitigen Bildung, meiner Erfahrung und meiner Zukunftspläne glaube ich, ich bin eigentlich eine kosmopolitische Person.
Wie ich vorhin betonte, lege ich beim Schreiben gesteigerten Wert auf den Stil. Ich bin nicht bereit, ein billiges Machwerk zu fabrizieren. Ich benutze die Hochsprache.

Nachbarschaft : Welche Gefühle und Gefühlswerte Ihrer Kindheit und Jugend lassen sich besonders schwer auf Deutsch ausdrücken?

Mbakop:
Was Gefühle im Allgemeinen angeht, habe ich kein Problem, sie auszudrücken. Beim Verfassen der Texte bereiten mir eher bestimmte Pflanzennamen und Spezialitäten Schwierigkeiten, die man nur in Afrika findet und die nicht im deutschen Wörterbuch vorhanden sind. In einem solchen Fall beschreibe ich den Gegenstand, um den es geht, oder ich gebe einfach den ortsüblichen Namen an.
Es gibt auch andere Phänomene, die im deutschsprachigen Raum nicht vorkommen, zum Beispiel das Motorrad als öffentliches Verkehrsmittel. In Kamerun gibt es Motorrad-Taxis in Stadt und Land. Diese Zusammensetzung kommt in meinem Roman „Mambés Heimat“ mehrmals vor. Solche Prägungen tragen zur Erweiterung des deutschen Wortschatzes bei.

Nachbarschaft : Von welchen deutschen Werken halten Sie es für besonders sinnvoll, sie in afrikanische Sprachen zu übersetzen?

Mbakop:
Es würde mich sehr freuen, meine Autobiografie, die Sammlung „Holzfeuermärchen“, das Stück „Das zerstörte Dorf“ sowie das zweibändige Werk „Das Hexagon und seine Mittäter“ in eine afrikanische Sprache übersetzt zu sehen.

Nachbarschaft : Was halten Sie von der neueren afrikanischen Literatur im Allgemeinen und insbesondere von der kamerunischen?

Mbakop:
Die afrikanische wie die kamerunische Literatur ist vielfältig. Sowohl hierzulande als auch in anderen Nationen des Kontinents findet man engagierte Schriftsteller und leider auch solche, die ihre Feder in den Dienst von Diktatoren stellen. Was mich betrifft, ich gehöre zu der erstgenannten Kategorie.

Nachbarschaft : An welche Leser haben Sie bei Ihren Werken gedacht? Richtet sich das Theaterstück an eine andere Zielgruppe als der Roman?

Mbakop:
Alle meine Bücher sind für die Weltöffentlichkeit bestimmt. Wenn ein Buch publiziert wird, kann man es in mehrere Sprachen übersetzen, es sei denn, es steht auf dem Index. Die Inszenierung eines Stückes ermöglicht es sogar den Analphabeten, seine Botschaft zu verstehen. Dasselbe gilt für die Verfilmung eines erzählerischen Werkes.

Nachbarschaft : Hatten Sie bei „Holzfeuermärchen“ deutsche Märchen als Vorbild oder eher andere literarische Texte? Warum haben Sie sich für die Märchenform entschieden?

Mbakop:
Während meines Studienaufenthalts in Deutschland bekam ich von einer Bekannten einen voluminösen Band geschenkt, in dem der deutsche Ethnologe Leo Frobenius erotische Geschichten aus Afrika zusammengestellt hatte. Die Anregung, eine Sammlung von Medúmbà-Märchen  herauszugeben, ging also von Frobenius‘ Geschichten aus. So sammelte ich vom 10. April  bis 31. Mai 2007 die Erzählungen, die drei Jahre später unter dem Titel „Holzfeuermärchen“ erschienen. Wie ich im Vorwort erwähne, versetzten mich viele davon in meine Kindheit zurück, da ich schon als Grundschüler die meisten von Kameraden und Erwachsenen lernte. Bei der Niederschrift ließen sich manche leicht wiedergeben, aber ich musste meine Kreativität ins Spiel bringen, um andere spannender und logischer zu machen.

Nachbarschaft : Könnten Sie Ihre Aussageabsicht in „Das zerstörte Dorf“ formulieren, ohne dass Ihnen das zu platt wird ?

Mbakop:
Das Drama „Das zerstörte Dorf“ straft die Behauptung Lügen, die Welt sei ein planetarisches Dorf. Es zeigt zugleich, dass es Staaten gibt, wo die Herrschenden wünschen, bestimmte Völker vernichtet zu sehen.

Nachbarschaft : Es heißt, das wichtigste Ziel des Märchens bestehe darin, seine Moral dem menschlichen Leben einzuprägen. Glauben Sie, dass Sie dieses Ziel erreicht haben?

Mbakop:
Das Buch ist dazu bestimmt, den Leser oder den Zuhörer zu erbauen und zu unterhalten. Es hilft ihm, gewisse Aspekte der Kultur und Geschichte der Medúmbà-Familie zu verstehen. Jedes Märchen enthält eine Moral. Im Vorwort habe ich die Moral von vier von ihnen ausdrücklich benannt.. Doch jeder Rezipient kann die Geschichten auf seine Weise interpretieren.

Nachbarschaft : Wir bemerken heutzutage, dass die Kameruner wenig Interesse am Lesen haben. Wie lässt sich Ihrer Meinung nach dieser jämmerliche Sachverhalt erklären?

Mbakop:
Das lässt sich dadurch erklären, dass die überwältigende Mehrheit der Kameruner in bitterer Armut lebt.

Nachbarschaft : Was für Projekte haben Sie für die Zukunft?

Mbakop:
Als Schriftsteller möchte ich in näher Zukunft zwei neue Buchprojekte realisieren, nämlich einen Roman und eine Novelle.
Als Germanist und Romanist hoffe ich, ab Oktober 2014 die Forschung und Lehre wieder aufnehmen zu können.

William CHANTCHO und Walter BÖHME stellten die Fragen.

Homepage von Hilaire Mbakop

Mittwoch, 12. Dezember 2012

Geheiratet, ohne es zu merken

Der große Kameruner Schriftsteller Mongo Beti war nicht nur ein wichtiger Kolonialismuskritiker und mit seiner Zeitschrift Peuples Noirs Peuples Africains ein Kämpfer für afrikanisches Selbstbewusstsein, sondern auch erfolgreich in eher heiterer Satire.
In seinem Roman "Mission terminée" (1957) - 2003 auf Deutsch unter dem Titel "Besuch in Kala oder Wie ich eine Braut einfing" erschienen - kommt ein Kameruner, der in der Stadt  durchs Abitur gefallen ist, in sein Dorf zurück und lässt sich vormachen, seine Fähigkeit, französisch zu sprechen, erhebe ihn weit über die normalen Kameruner. Wie sehr er bei seinem Versuch der Anpassung an die Kolonalherren seinen gesunden Menschenverstand verloren hat, zeigt sich daran, dass er auf dem Dorf  lange fröhlich bei einer Feier mitmacht, bis er merkt, dass es seine eigene Hochzeit ist.

Wer sich für einen Überblick über wichtige auf Deutsch erschienene afrikanische Literatur interessiert, erhält gute Hinweise in: Almut-Seiler-Dietrich: "Afrika interpretieren. 50 Jahre Unabhängigkeit – 50 Jahre Literatur''. Books on African Studies, Heidelberg 2007. Meine Kenntnis des Romans beziehe ich aus S.11-13 in diesem Buch.

Dienstag, 11. Dezember 2012

Chris Cleave: Little Bee

Chris Cleaves Roman beginnt mit der Entlassung der Heldin, Little Bee, aus einem britischen Detention Camp (Abschiebegefängnis) für illegale Flüchtlinge in Großbritannien und endet damit, dass sie wieder in ihre Heimat deportiert wird, aus der sie vor Killerkommandos geflohen ist, die ihre gesamte Familie umgebracht haben.
Wir verlassen sie am Schluss in einer Situation, wo bewaffnete Soldaten auf sie zukommen, um sie den einheimischen Behörden auszuliefern. Und doch enthält die Schussszene mehr Hoffnung als der Beginn.
Aus abwechselnden Perspektiven wird auf die Erfahrungen zurückgeblickt, die Little Bee von ihrem 4. bis zum 17. Lebensjahr in Nigeria und Großbritannien gemacht hat.
Der Roman ist sehr spannend geschrieben und ermöglicht viel Einfühlung. Immer wieder werden Brücken gebaut, über die europäische LeserInnen die Andersartigkeit der afrikanischen Kultur nachvollziehen können. Doch auch die Identifikationsangebote mit den europäischen Hauptpersonen fehlen nicht.

Zitate:
"So when I say that I am a refugee, you must understand that there is no refuge." (S.46)
[Wenn ich sage, dass ich ein Flüchtling bin, sollte man sich klar machen, dass es letztlich gar keine Fluchtmöglichkeit gibt.]
Das zeigt sich daran, dass nicht nur das geflohene Mädchen, sondern auch die Personen, die mitbekommen haben, was seiner Flucht vorausging, auf Jahre - teils bis zum Tod - von diesen Erinnerungen verfolgt werden.

Buchbesprechung

Leseprobe

Homepage von Chris Cleave (englisch)

Zum sachlichen Hintergrund der privaten Detention Camps sieh Christine Bacon

Freitag, 30. November 2012

"Der Mann, der die Wüste aufhielt"

Diesen Blogartikel verdanke ich Andrea Jeskas Bericht "Der Mann, der die Wüste aufhielt" in der ZEIT vom 29.11.12, S.17-19. Da ich diesen Bericht zunächst nicht verlinken konnte, habe ich einiges aus dem Internet über Yacouba Sawadogo zusammengetragen. Das kann aber die Lektüre ihres weit inhaltsreicheren Artikels nicht ersetzen. (Link)

Yacouba Sawadogo hatte keinen Erfolg auf der Koranschule, aber er kultivierte die Wüste, säte Hirse und  Bäume am Rand der Wüste, indem er traditionelle Techniken, Zaï-Löcher und Steinreihen, fortentwickelte.

Hier der Trailer zum Film, der über ihn gedreht wurde: The Man who stopped the Desert.

1953 schrieb Jean Giono über einen Bruder im Geiste von Yacouba Sawadogo:  L'Homme qui plantait des arbres Text - französisch (Der Mann, der Bäume pflanzte). Giono hat diesen Mann nie getroffen, er hat ihn erfunden, um die Liebe zum Pflanzen von Bäumen zu entfachen.

Yacouba Sawadogo ist real. Er begann seine Arbeit knapp 30 Jahre, nachdem Giono seinen Helden erfunden hatte. Er wurde für verrückt gehalten. Seine Felder wurden niedergebrannt, doch er machte weiter. Dann wurde der holländische Geologe Chris Reij  auf ihn aufmerksam und publizierte 2004 eine Studie über seine Arbeit. Dennoch beschloss 2008 die benachbarte Stadt Ouahigouya das von ihm fruchtbar gemachte Land zu beschlagnahmen und  ihm fast nichts davon übrig lassen. Er gab nicht auf. Der Präsident der Yatenga Province wurde auf ihn aufmerksam. 2010 wurde der oben erwähnte Film über ihn gedreht. Inzwischen arbeiten viele Tausend, vielleicht Millionen von kleinen Bauern nach seiner Methode. Die größten Erfolge wurden in Niger erzielt, wo "seit den achtziger Jahren" über "200 Millionen neue Bäume gepflanzt" (ZEIT, S.19) wurden, nach Chris Reijs Schätzung die jährliche Getreideernte über 500 000 t erhöht wurde, wovon jetzt  "2,5 Millonen Menschen" ernährt würden. (ZEIT, S.19)  Reij sagt über Yacouba: "Yacoubas Einfluss ist größer als der aller nationalen und internationalen Experten zusammen." (zitiert nach ZEIT, S.18)

Der Landraub, den die Stadt Ouahigouya versuchte, geschieht tausendfach nicht nur in Afrika. Kleinbauern werden um ihr Land gebracht. Man nimmt ihnen die Ernährungssouveränität, das Recht, selbst für ihre Ernährung zu sorgen.

In Andrea Jeskas Bericht heißt es gegen Schluss:
"[...] tauchten Leute auf, denen irgendein Beamter das Land zur Ansiedlung versprochen hatte. Sie begannen,  Yacoubas Bäume zu fällen und Häuser zu bauen, wo Yacoubas Hirse wächst."
Den Schluss kann man in der ZEIT vom 29.11. nachlesen.

Hinweis:
Hunger im Süden Afrikas
Burkina Faso
Yacouba Sawadogo hat sein Konzept erfolgreich durchgehalten, wo das Konzept der Grünen Mauer im Sahel, weil es zu technokratisch war, vor die Wand gelaufen ist. Alles spricht dafür, dass das Konzept der lokalen Einbindung erfolgreicher ist als das Konzept internationaler Großprojekte. (vgl. monde diplomatique)

Sieh auch:
Green Belt Movement
Die "grünen" Wurzeln Afrikas

Liang Zi: Zehn Jahre in Afrika

Liang Zi, die erste chinesische Fotografin, die sytematisch in Afrika fotografierte, gibt jetzt ein Buch über ihre Fotografien in 10 Jahren heraus.

Samstag, 24. November 2012

Zur neuesten Entwicklung im Kongo

Kampf um die Schatztruhe (Frankfurter Rundschau, 24.11.)
Schutz der Zivilbevölkerung durch unbewaffnete Drohnen der UNO (24.11.)
Oxfam warnt, 23.11.
Kampf im Ostkongo und sexuelle Gewalt, 22.11.
Dritter Kongokrieg (Wikipediaartikel zu Vorgeschichte und Zusammenhängen der gegenwärtigen Kampfhandlungen - M23)
Ist Ruanda schuld an einem Völkermord auf Raten? (FR 30.11.12)
Völkermord in Ruanda

Mittwoch, 17. Oktober 2012

Eine Recherche über den Völkermord in Ruanda

Zunächst steht hier nur der Link zu dem Forschungsunternehmen des Historikers Rémi Korman.
Wenn es allgemeineres Interesse finden sollte, kann auch hier im Blog etwas darauf eingegangen werden.

Ein Ausschnitt zur Schwierigkeit, Dokumente über die juristische Behandlung des Völkermordes zu gewinnen:

Après 1994, la question des jugements du génocide est devenue au Rwanda un véritable enjeu. Le système judiciaire était alors anéanti et il était très difficile de trouver des juristes, des avocats etc.
En raison de ces grandes faiblesses, mais aussi en raison du choix de mettre en place les juridictions Gacaca à partir de 1998, de nombreux projets de documentation juridique se mirent en place. On trouve ainsi au Rwanda plusieurs centres de documentation juridique. http://rwanda.hypotheses.org/133
Völkermord in Ruanda (Wikipediaartikel)

Sonntag, 30. September 2012

Bouba-Ndijida-Nationalpark in Gefahr

Der Bouba-Ndijida-Nationalpark in Kamerun ist in Gefahr.
Wilderer haben von Januar bis März etwa 200 Elefanten getötet. Manche Schätzungen reichen sogar an 600 heran.
In Bereichen, wo viele Touristen verkehren, kommt es zum Glück seltener zu illegalen Jagden.
(mehr dazu in Spiegel online)

Samstag, 8. September 2012

Schulbesuch und Schulbuchmangel

33 Millionen Kinder in Afrika gehen nicht zur Grundschule, 156 Millionen Erwachsene bestreiten ihr Leben als Analphabeten.
Dabei verbrannte ein südafrikanischer Beamter in großem Stil Schulbücher.

(mehr zum Weltbildungstag)

Sonntag, 5. August 2012

Migration innerhalb Afrikas

Wenn der Kameruner Bernard Doungmo (42), Taxifahrer in Gabuns Hauptstadt Libreville, die Bilder der in Marokko gescheiterten Immigranten im Fernsehen sieht, überfallen ihn Trauer und Mitleid aber auch gleichzeitig Unverständnis. „Wieso“, fragt er, „sparen diese armen Menschen Tausende von Euros, um sich auf den Weg in solch ein ungewisses Schicksal zu machen? Mit dem gleichen Betrag kann man sich in Afrika eine Existenz aufbauen, vielleicht nicht unbedingt in seinem Heimatland, aber doch auf dem Kontinent“. Er weiß, wovon er spricht … (mehr dazu)

Aktuelle Nachrichten:

deutsch:
Der Standard
TAZ
Spiegel
Die Zeit

englisch:
Africa live online 
All Africa
IOL News

Dienstag, 3. Juli 2012

Zerbricht Mali?

Die Einheit Malis ist gefährdet, Putsch gegen Amani Toumani Touré, die Verbündeten der Tuareg zerstören deren Heiligtümer, das Weltkulturerbe der UNESCO in Timbuktu.
Eine beunruhigende und sehr unübersichtliche Situation.
Dazu die Wikipedia (Artikel Mali nach Stand vom 3.7.):
"Am 21. März 2012 fand in Mali ein Militärputsch statt. Der Sprecher der Putschisten Amadou Konaré begründete den Staatsstreich mit der Unfähigkeit des Präsidenten, den seit Mitte Januar 2012 andauernden Aufstand der Tuareg-Rebellen der Nationalen Bewegung für die Befreiung des Azawad (MNLA) in der Region Azawad im Norden des Landes unter Kontrolle zu bekommen. Als Anführer der Putschisten gilt der Hauptmann der Streitkräfte Malis Amadou Sanogo. Nach der Einnahme des Präsidentenpalastes in Bamako erklärten die Putschisten die Regierung für gestürzt. Die Verfassung wurde außer Kraft gesetzt, die für April angesetzte Präsidentschaftswahl abgesetzt und alle bisherigen staatlichen Institutionen für aufgelöst erklärt. Mehrere Minister wurden festgenommen. Präsident Amadou Toumani Touré wurde für abgesetzt erklärt, es gelang ihm zusammen mit loyalen Soldaten die Flucht.
Der UN-Sicherheitsrat, die Afrikanische Union und die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton verurteilten den Staatsstreich und belegten die Militärjunta mit Sanktionen; die EU-Kommission kündigte an, ihre Entwicklungshilfe für Mali vorübergehend einzustellen. Am 1. April 2012 kündigte Sanogo an, die Verfassung wieder in Kraft zu setzen und "freie, offene und demokratische Wahlen" zu ermöglichen. Am 6. April 2012 stimmte Sanogo einem Rahmenabkommen mit der Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) zur Machtübergabe an eine zivile Regierung zu. Der malische Parlamentspräsident Dioncounda Traoré soll eine Übergangspräsidentschaft übernehmen und innerhalb von 40 Tagen Neuwahlen organisieren, die ECOWAS beendet im Gegenzug ihre Sanktionen. Um diesen Schritt zu ermöglichen, gab am 8. April auch der vormalige Präsident Touré offiziell seinen Rücktritt bekannt.
Unterdessen nahmen die Tuareg-Rebellen der MNLA im Norden des Landes alle Städte der Region Azawad ein und erklärten am 6. April 2012 die einseitige Unabhängigkeit des Azawad."

Mehr dazu von Tom Schimmeck in der Frankfurter Rundschau vom 3.7.12
Malische Flüchtlinge extrem gefährdet (Ärzte ohne Grenzen, 26.6.12)
Länder der westlichen Sahelzone von Heuschreckenschwärmen bedroht, denn aufgrund der Kämpfe in Libyen und Mali fiel dort die Bekämpfung der Heuschrecken aus. (entwicklungspolitik online, 3.7.12) "Mali war schon länger instabil." (Interview mit Paul Mben)
Nachtrag 12.7.:
Islamisten erobern Nord-Mali.

Dienstag, 29. Mai 2012

Immigration in Deutschland


Mein Name ist Eddy, und ich komme ursprünglich aus Albanien. Meine Großeltern sind mit ihren Kindern wegen des Krieges von dort weggegangen und leben seit über 20 Jahren hier in Deutschland.

Es ist für sie aber nicht leicht hier in Deutschland. Sie haben ihr Visum immer nur eine bestimmte Zeit lang  und müssen es dann nach Ablauf dieser  Zeit verlängern. Sonst werden sie nach Albanien zurück geschickt.

Ich finde es schrecklich, dass es so was gibt; denn mein Opa und meine Oma leben schon seit über 20 Jahren in Deutschland und haben auch immer fleißig gearbeitet. Ich finde, man sollte Ausländern, die schon über 20 Jahre in Deutschland leben, schon ein unbefristetes Visum geben, wenn sie noch nie Probleme gemacht haben.
Meine Eltern haben ein unbefristetes Visum, weil sie arbeiten, meine Tanten haben eins, weil sie deutsche Männer geheiratet haben.
Meine Onkel haben, weil sie eine gute Position in der Firma, in der sie arbeiten, haben, es sogar geschafft, deutsche Pässe zu erhalten. Und ich habe, weil ich noch zur Schule gehe und meine Eltern auch eins haben, automatisch eins bekommen.
Eddy


Mit Gesten kann man sich verständigen, aber auch gründlich missverstehen. 

Ein bisschen Statistik zu diesem Blog

Die Zeitschrift "Nachbarschaft. Internationales Kulturaustauschmagazin" gibt es schon lange. Gegenwärtig leidet sie aber darunter, dass der Herausgeber seit einer schweren Erkrankung noch nicht wieder aktiv ist und die wichtigsten Mitarbeiter mit anderer Arbeit überlastet sind.
Dafür gibt es aber seit September 2009 auch dieses Blog (Weblog, Internettagebuch) und es wird auch unabhängig von der Zeitschrift weiter gelesen.

Die beliebtesten Beiträge des Blogs sind:


Es gibt noch viele Mauern abzubauen
seit 11.12.2009 700 Seitenaufrufe

Du bist mein Bruder, Du bist meine Schwester
seit 20.04.2010 396 Seitenaufrufe

Bauten aus der NS-Zeit – Wie damit heute umgehen?
seit 16.07.2010 364 Seitenaufrufe

Politik und Wahlen in Elfenbeinküste, Gabun und Kamerun
seit 03.05.2011 200 Seitenaufrufe

Online – Plattform für Deutschlehrer und Germanisten
seit 09.01.2011 154 Seitenaufrufe

Das Blog insgesamt ist weit über 8000 mal aufgerufen worden.

Übrigens ist ein neuer Mitarbeiter gewonnen worden, der sich bald hier melden wird.

Samstag, 5. Mai 2012

Sind afrikanische Ethnien von Europäern erfunden worden?

"Europäer glaubten, dass Afrikaner Stämmen angehörten; Afrikaner gründeten Stämme, um dazuzugehören" - so fasst der Historiker John Iliffe ein Stück afrikanischer Kolonialgeschichte des 19. Jahrhunderts zusammen.
YILMAZ GÜLÜM berichtet unter anderem, dass nach der Darstellung des Historikers Gerard Prunier die Belgier in Ruanda die sozialen Gruppen Stämmen zugeordnet hätten, um so die Herrschaft der damaligen Oberschicht dauerhaft zu sichern.
Eine ausführlichere Darstellung dazu findet sich in der österreichischen Zeitung "Standard" unter dem Titel: Das Märchen der Migranten-Communitys. Das sind bisher nur Hypothesen einzelner Wissenschaftler. Interessant sind sie aber allemal.