Samstag, 29. Juli 2017

Meja Mwangi: Warten auf Tusker

Der Ort Kambi in Kenya braucht vorrangig einen neuen katholischen Pfarrer, nachdem der alte mit der Gemeindekasse, dem Dienstauto und einer jungen Kirchgängerin unbekannt verzogen ist. Kambi braucht zudem eine Wasserleitung; das meint jedenfalls der Bischof, der dafür Arbeitskräfte zum Ausheben der Gräben mobilisieren will.
Vor allem aber braucht Kambi, und das schnellstens, Tusker – jenes Bier, das seit 1922 in Kenya gebraut und in großen Mengen konsumiert wird und dessen Lieferung ausgerechnet kurz vor Weihnachten ausbleibt. Weihnachten ohne Tusker ist schlicht unvorstellbar für die Männer, denen dagegen die Wasserleitung weit weniger dringlich erscheint. Schließlich haben sie Frauen, deren Aufgabe es ist, jederzeit frisches Wasser herbeizutragen.

Messwein macht fromm

Padre Pietro, ganz gegen seinen Willen aus Rom eingeflogen, kämpft sich durch unsägliche Widrigkeiten mithilfe von Savio, der – in Erwartung eines ihm niemals zugesagten Lohns – als Koch, Hausdiener und Katechist fungiert. Er las sogar die Messe für drei Witwen, die in der priesterlosen Zeit auf ihren Kirchgang nicht verzichten wollten. Gelegentlich bekommt Padre Pietro hilfreichen Rat von der «Viererbande», vier alten Herren, die das Dorf im Griff haben und denen der fremde Mann, der nicht einmal eine Frau hat, leidtut. Er muss sich auch gegenüber der protestantischen Mehrheit in Kambi profilieren.
Da kommt ihm zugute, dass im Keller der verwahrlosten Kirche große Mengen von Messwein lagern, der nun von Savio großzügig ausgeschenkt wird. So finden die vom Tusker-Engpass betroffenen Kambianer den Weg zur Kirche. Der italienische Pater sieht sich in ein afrikanisches Dorf integriert, das sämtlichen Klischees entspricht: Da gibt es den Dorftrottel, den protzenden Villenbesitzer mit Mercedes, den Chief, der droht, die Ingenieure zu erschießen, sollte die Wasserleitung so weit von seinem Haus entfernt verlaufen, dass es seinem Prestige Abbruch täte. Und es gibt die stets arbeitenden Frauen, die mit allen Tricks, aber mit wenig Erfolg versuchen, ihre Männer vom Saufen abzuhalten.

Erfolgreich

Meja Mwangi, der neben Ngugi wa Thiong'o bekannteste Autor Kenyas, greift einmal mehr genau die Punkte auf, die so manchen Entwicklungshelfer zur Verzweiflung bringen, und verwandelt sie in ein komödiantisches Panorama mit ernstem Hintergrund. Er legt den Finger in so ziemlich jede afrikanische Wunde. So griff er mit dem Roman «Die achte Plage» (1997) als einer der ersten afrikanischen Autoren das Thema Aids auf. Sein umfangreiches Werk, zu dem auch Theaterstücke und Filme gehören, ist zum großen Teil auf Deutsch übersetzt. Schon mit seinem ersten Roman war er 1973 so erfolgreich, dass er seither als freier Schriftsteller leben kann. Der Titel dieses Romans ist «Kill Me Quick», die umgangssprachliche Bezeichnung für einen offenbar lebensverkürzenden Hirseschnaps.
So gefährlich ist Tusker nicht. Es darf verraten werden, dass es gegen Ende des Romans – allerdings erst nach Weihnachten – geliefert wird und dass der Lieferant sogar ein Jobangebot für einen ehemaligen Kumpel mitbringt. Der aber, obwohl schon lange auf der Suche, bittet sich neben Bedenkzeit auch zwei Kisten Tusker als Entscheidungshilfe aus. Pater Pietro dagegen hat nichts zu entscheiden. Er wird weiter auf die ihm vom Bischof in Aussicht gestellte Ablösung warten.
Meja Mwangi: Warten auf Tusker. Aus dem Englischen von Jutta Himmelreich. Peter-Hammer-Verlag, Wuppertal 2017. 360 S., Fr. 35.90.
Almut Seiler-Dietrich

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