"In der Klimakrise gipfelt jahrhundertelange 'Rassen'-Ungerechtigkeit - [...] Wie den Aktivistinnen und Aktivisten, die das koloniale politische System in den 1960er und 1970er Jahren infrage stellten, durchaus klar war, erfordert Gerechtigkeit, dass wir unsere politischen und wirtschaftlichen Systeme in weltweitem Maßstab umstrukturieren. [...] Wir sollten uns unseren Handel und unser politisches System wie ein Wasserleitungsnetz vorstellen, "das dem ganzen Globus umspannt. Aber statt Wasser zu transportieren, produziert und verteilt dieses Leitungsnetz soziale Vorteile und Nachteile: Wohlstand und Armut, Endprodukte und Umweltverschmutzung, medizinisches Wissen und Unwissen. Die daraus erwachsene Verteilung von Vor- und Nachteilen spiegelt [...] jahrhundertelange menschliche Bestrebungen und Entscheidungen wider. Gezielte Versuche, eine ungerechte Gesellschaftsstruktur zu schaffen, fehlgeschlagene Versuche, eine gerechte Gesellschaftsstruktur hervorzubringen [...]. Diese historischen Leitungen ermöglichen es uns vorherzusagen, wohin zukünftige Ströme von Vor – und Nachteilen wie von selbst fließen werden [...], wenn die Leitungswege so bleiben, wie sie sind. Die Konstruktion der heutigen Welt erfolgte über das globale 'Rassen'-Imperium: über die historisch beispiellose koloniale Eroberung und 'Rassen'-Versklavung, die im 15. Jahrhundert anfing. [...] Dieses System schufen die Kolonialmächte "durch Kolonien auf Landgebieten, die sie sich durch Herrschaft über und Eliminierung von indigenen Völkern sicherten und mit der Arbeitskraft versklavter und verkaufter Afrikanerinnen und Afrikaner produktiv machten. [...]
Im 18. und 19. Jahrhundert verknüpft das britische Weltreich sein Netz von Kolonien und Sklavenarbeit mit neuen kohle– und dampfgetriebenen Technologien, [...] diese Industrielle Revolution [...] verstehen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als Beginn unserer Ära des anthropogenen Klimawandel.
Diese Geschichte des 'Rassen'-Weltreichs [...] hat auch die Netzwerke und Kanäle geschaffen, die heute Vorteile und Nachteile an verschiedene Völker und Orte auf der Welt leiten. [...] Innerhalb dieser unterschiedenen geographischen Bereiche und über sie hinweg haben schwarze und indigene Menschen tendenziell die geringsten Vorteile und die meisten Nachteile im Vergleich zu ihren Nachbarn. Die Ungerechtigkeiten haben sich in der Struktur abgelagert [...]. Diese Struktur werden wir ändern müssen, wenn wir die Übel der Vergangenheit wirklich angehen wollen." (S.450/451)
"Diese Einsicht liegt dem 'konstruktiven' Ansatz der Reparationen für Sklaverei und Kolonialismus zu Grunde: Wir müssen Leitungen schaffen, die den bisher Entmachteten Vorteile zufließen lassen und diejenigen, die durch die Ungerechtigkeit von gestern bereichert und ermächtigt wurden, dazu bringen, ihren gerechten Anteil an den globalen Belastungen zu übernehmen, die aus den Reaktionen auf die Klimakrise und dem Schutz unseres Lebens auf diesem Planeten erwachsen. " (S.451/452)
"Bedingungslose Geldtransfers betreffen nicht nur Individuen und Haushalte. Historische Kapitalflüsse umzulenken, kann – und muss – auch auf der Ebene von Staaten und multinationalen Institutionen passieren. Genau das haben reiche Länder [...] zugesagt, allerdings waren sowohl die Zusagen als auch ihre Umsetzung zu wenig. [...] Privatinvestoren und Konzerne haben angeboten, die Lücke zu überbrücken [...] In dem Maße, wie unsere Bemühungen Umweltgestaltung Finanzmittel erfordern, ist es besser, unmittelbaren politischen Druck auf private Institutionen auszuüben, als sie ans Steuer zu lassen. Solche 'Desinvestitions-Investitions'-Strategien würden Aktivismus nutzen, um Finanzmittel aus fossilen Brennstoffen und anderen umweltverschmutzenden Industrien abzuziehen und in Projekte zu lenken, die das Gemeinwohl fördern: [...] Dies könnten wir mit Blick auf eine weltweite Reichweite [...] damit verbinden, Druck auf den in Steueroasen auf dem gesamten Globus gehorteten Reichtum im Wert von Billiarden US-Dollar auszuüben." (S.452/53)
"In unserem gegenwärtigen System haben private Unternehmen einseitige und autoritäre Kontrolle über weite Bereiche des öffentlichen Lebens [...] Eine wichtige Alternative bietet die Idee der 'Gemeinschaftskontrolle' [...] Wir sollten anstreben, freiheitsfördernde praktische Angebote zu schaffen und gerecht zu verteilen [...] und greifbare Strukturen [...] aufbauen, die uns helfen, eine gerechte, klimaresiliente Welt zu schaffen. Wir müssen Abwassersysteme für den Hochwasserschutz bauen und gerecht verteilen; neue energieeffiziente Wohnungen nachrüsten; und eine sichere, resiliente Infrastruktur für Energietransport und –speicherung entwickeln. [...] Geld allein wird die Probleme nicht beheben Wir müssen Umweltprobleme spezifisch und unmittelbar angehen und dabei zugleich die Machthierarchien infrage stellen, die sie verursacht haben. [...] Welche Entwürfe wir auch entwickeln, wir müssen die Welt buchstäblich neu gestalten – diesmal für die vielen, statt für wenige." (Greta Thunberg: Das Klima-Buch, S.453/454)
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