Jan Heskamp: Ich bin Bauingenieur und seit 15 Jahren beruflich tätig. Davon bin
ich die meiste Zeit im Ausland, hauptsächlich in verschiedenen
Ländern Afrikas gewesen. Für das Consultingbüro INROS LACKNER aus
Bremen arbeite ich seit ca. vier Jahren. Seit Ende August 2013 bin ich
in Limbe, Kamerun als Projektleiter tätig.
William Chantcho und Jan Heskamp
Nachbarschaft:
An welchem Bauvorhaben sind Sie eigentlich tätig ?
Jan Heskamp: In einem Team von drei Ingenieuren führe ich die Bauaufsicht für
die Errichtung einer neuen Kaimauer auf der Schiffswerft von Limbe.
Die Bauarbeiten wurden bereits Anfang 2013 begonnen und werden von
der niederländischen Baufirma BAM International durchgeführt. Im
November dieses Jahres ist die Übergabe des Bauwerkes an den
Auftraggeber Chantier Naval et Industriel du Cameroun (CNIC)
vorgesehen. Die Kaimauer ist etwa 350 m lang und fast 17 m hoch. Sie
wurde in der sogenannten Betonblockbauweise erstellt, d. h. sie
besteht aus knapp 1.400 Betonblöcken, die in 10 Reihen übereinander
platziert wurden. Die Errichtung der neuen Werft für CNIC begann
bereits 2005 mit dem Bau eines 700 m langen Wellenbrechers und
berücksichtigt noch weitere Bauwerke wie z. B. ein neues
Verwaltungsgebäude für den Auftraggeber, eine Werkshalle für
Reparaturarbeiten und weitere Gebäude.
Erstellung von Betonblöcken
Nachbarschaft:
Inwiefern ist dies Vorhaben für Kamerun wichtig ?
Jan Heskamp: Die neue Schiffswerft ist in erster Linie für die Wartung und
Reparatur von Ölplattformen vorgesehen, die im Golf von Guinea Öl
fördern. Die Kapazität der alten Werft von CNIC in Douala erlaubte
diese Arbeiten nur im beschränkten Maße für kleinere Ölplattformen. Die neue Werftanlage in Limbe ist für Kamerun einzigartig, denn
durch sie kann Kamerun neue Tätigkeitsfelder im boomenden Ölgeschäft
entlang der westafrikanischen Küste erschließen, seine Teilnahme
und seinen Gewinn daran intensivieren und seine Konkurrenzfähigkeit
gegenüber den Werftanlagen im benachbarten Nigeria erhöhen.
Kaimauerbau
Nachbarschaft:
Im Auftrag welches Unternehmens arbeiten Sie ?
Jan Heskamp: INROS LACKNER ist ein alteingesessenes Planungs- und Beratungsbüro
mit etwa 400 Mitarbeitern aus Norddeutschland. Es ist 2004 im
Wesentlichen hervorgegangen aus dem Zusammenschluss der beiden
Ingenieurbüros Lackner und Partner in Bremen sowie INROS aus
Rostock. Lackner & Partner wurde 1971 Nachfolger des 1936
gegründeten Ingenieurbüros Agatz und Bock in Berlin, das bereits
1945 nach Bremen übersiedelte. Seit seiner Gründung ist das
Ingenieurunternehmen auf den Hafenbau spezialisiert.
Nachbarschaft
:
Wissen Sie, weshalb Ihr Unternehmen diesen Auftrag bekommen hat ?
Jan Heskamp: INROS LACKNER ist seit mehr als 50 Jahren in Westafrika tätig und
war dabei an der Entstehung und Entwicklung mehrerer Häfen
beteiligt. Der Hafen von Lomé in Togo beispielsweise ist einer der
wenigen Tiefseehäfen Afrikas, der maßgeblich von INROS LACKNER
geplant wurde. Die langjährigen ingenieurtechnischen, regionalen und
kulturellen Erfahrungen waren im Wesentlichen ausschlaggebend für
den Auftrag.
Nachbarschaft:
Was sind Ihre Aufgaben als Projektmanager ?
Jan Heskamp: In einem Team von drei Ingenieuren, einem Expatriat und zwei lokalen
Mitarbeitern, leite ich die Bauaufsicht. Diese beinhaltet die
Kontrolle sämtlicher Bauarbeiten: Von der Gewinnung erforderlicher
Baumaterialien im nahegelegenen Steinbruch von Batoke bis zur
Herstellung und der Verlegung der Betonblöcke auf einem mit
Spezialbeton errichteten Unterwasserfundament. Wöchentlich finden
Ortstreffen mit der Baufirma und dem Auftraggeber statt, um den
Baufortschritt zu besprechen sowie technische und vertragsrechtliche
Angelegenheiten zu erörtern. Neben der Kontrolle der Ausführung der
Bauarbeiten ist die Bauaufsicht für die Prüfung und Zertifizierung
der monatlichen Abrechnungen der Baufirma verantwortlich.
Unterwasserbetonage
Nachbarschaft
:
Was sind bisher die größten Schwierigkeiten, denen Sie sich bei
dem Projekt gegenüber sahen ?
Jan Heskamp: Gewisse technische und vertragsrechtliche Probleme gibt es auf
jeder komplexen Baustelle, die zu bewältigen sind. Technische
Schwierigkeiten wurden von der Baufirma bisher recht gut gemeistert,
obwohl es dadurch zum Verzug kam. Problematisch können auch
unverhältnismäßige Verspätungen der Banken bzw. des Auftraggebers
in den Zahlungen an die Baufirma oder an das bauaufsichtführende
Ingenieurbüro sein, was zu Arbeitsunterbrechungen führen kann.
Nachbarschaft:
Sind Sie mit dem Projektfortschritt zufrieden ?
Jan Heskamp: Die Fertigstellung der Kaimauer war ursprünglich Ende Mai 2014
vorgesehen. Da es sich um eine ziemlich komplexe Baustelle handelt,
habe ich mit bestimmten Bauverzügen gerechnet. Ein schwerwiegender
Fehler der Baufirma war es, den Schwimmkran für das Verlegen der
Betonblöcke vorzeitig abzuziehen, weil er auf einer anderen
Baustelle in Sierra Leone benötigt wurde. Der Ersatzkran war zum
Zeitpunkt seines vorgesehenen Einsatzes in Limbe nicht
betriebsbereit, und so kam es zu einem unnötigen weiteren Bauverzug
von 6 Wochen.
Gegen Abschluss der Errichtung der Kaimauer
Nachbarschaft:
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden und
der Bevölkerung?
Jan Heskamp: Insgesamt gesehen war die Zusammenarbeit in Ordnung, abgesehen von
einigen kleinen Unstimmigkeiten: Im Oktober 2013 gab es einen etwa
eine Woche andauernden Streik der lokalen Bauarbeiter, die mit ihrer
Bezahlung unzufrieden waren. Im Juni 2014 blockierte die Bevölkerung
von Batoke für einen Tag den Zugang zum Steinbruch, da sie der
Meinung war, von dem Projekt zu wenig zu profitieren. Der
Auftraggeber CNIC reagierte jedoch umgehend durch Verhandlungen mit
Vertretern Batokes.
Außerdem
waren einige kamerunische Ministerien (Ministerium für Bergbau,
Ministerium für Finanzen, Ministerium für Umwelt, etc.) regelmäßig
zur Besichtigung des Baufortschritts vor Ort. Auch Vertreter der
Projektfinanzierungsinstitute wie die afrikanische Entwicklungsbank
kamen zu Besuch.
Nachbarschaft: Mit
welchen afrikanischen Unternehmen haben Sie zusammengearbeitet?
Jan Heskamp: Im
Allgemeinen führt INROS LACKNER Bauprojekte im Ausland zusammen mit
einem lokalen Ingenieurunternehmen durch. Dies ist nicht nur von
INROS LACKNER selbst so initiiert, sondern häufig auch vom
Auftraggeber und von den Baufinanzierern so vorgeschrieben, um einen
für die Projektarbeit erforderlichen Wissens- und
Erfahrungsaustausch zwischen den Ingenieurbüropartnern aus
Entwicklungsland und Erste-Welt-Land herzustellen. Meine lokalen
Mitarbeiter gehören dem lokalen Ingenieurbüro CADEK aus Douala an.
CADEK war bereits INROS LACKNER’s kamerunischer Partner während
der Ausführungsarbeiten des Wellenbrechers in Limbe.
Nachbarschaft: Waren Sie direkt in Limbé ansässig?
Jan Heskamp: Auf
dem Gelände von Limbe Shipyard haben wir ein Baustellenbüro.
Nachbarschaft: Wie
viele Mitarbeiter waren insgesamt bei dem Bauvorhaben beschäftigt?
Jan Heskamp: Zu
Hochzeiten während der Betonblockherstellung waren für die
holländische Baufirma rund 330 Mitarbeiter tätig, davon 300 lokale
Angestellte und ca. 30 Expatriates. Daneben gab es noch weiteres
indirektes Personal, z. B. von Zulieferfirmen für Baumaterialien
(Zement. etc.) und anderen.
Nachbarschaft: Können
Sie etwas über Löhne und Gehälter der Mitarbeiter sagen?
Jan Heskamp: Die
Arbeitsvergütung für die lokalen Mitarbeiter der Baufirma basiert
auf dem 2-Säulen-Prinzip. Die Bezahlung erfolgte nach den üblichen
Gehältern der hiesigen Baubranche inklusive Zuschlägen (z. B.
transport & risk allowances, etc.). Die zweite Säule
berücksichtigt Prämienzahlungen abhängig von der Performance jedes
Mitarbeiters.
Nachbarschaft:
Zur Einheitsfeier an dem Seemannsheim: Wie haben Sie die Zeremonie
gefunden und wie war Ihre Begegnung mit dem deutschen Botschafter ?
Jan Heskamp: Ich glaube, dass die deutsche Botschaft in Kamerun die einzige in
der Welt ist, die zwei Einheitsfeiern an zwei verschiedenen Orten des
Landes (Jaunde und Douala) veranstaltet, damit möglichst viele
Deutsche die Wiedervereinigung feiern können. Das ist wirklich eine
besondere Geste. Da mir die Einheitsfeier 2013 bereits sehr gut im
Seemannsheim gefallen hat, habe ich mich gefreut, in diesem Jahr neue
und alte Gesichter wiederzusehen.
Nachbarschaft:
Was für Projekte haben Sie in der Zukunft nach dem Abschluss des
Bauvorhabens ?
Jan Heskamp: Mein nächstes Projekt ist Urlaub. Zum Ende eines Projektes gibt es
immer viel zu tun und daher waren wir sieben Tage die Woche in der
letzten Zeit auf der Baustelle. Nach meinem Urlaub ist der nächste
Einsatz wieder im Ausland vorgesehen, voraussichtlich in Angola.
Die
Fragen stellten William CHANTCHO und Walter BÖHME