"Afrika ist ein spektakulärer Kontinent: Die Landschaft, die Menschen, die vielen Kulturen faszinieren mich. Afrika ist außerdem ein Kontinent, der sich zurzeit massiv verändert. Die Zahl derer, die dort studieren, hat sich in den vergangenen fünf Jahren verdreifacht. Darin steckt viel Potenzial auch für die deutsche Wissenschaft. Derzeit investieren China und Russland stark in die afrikanische Forschung; traditionell sind Frankreich und Großbritannien dort prominent unterwegs. Die deutsche Wissenschaft und die deutsche Wirtschaft müssen sich dort auch stärker engagieren." (Hervorhebungen von W.B.)
Das sagt Katja Becker. Wer ist Katja Becker? Sie ist die Präsidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der einflussreichsten Wissenschaftsorganisation Deutschlands.
Wichtig deshalb auch, was sie hinzufügt:
"Die DFG hat die Fördermittel für Afrika in den vergangenen fünf Jahren um 50 Prozent gesteigert. Das allein reicht bei Weitem nicht aus. Die deutsche Wissenschaft muss sich auch besser abstimmen. Es trifft in Afrika auf wenig Verständnis, zu sagen: Hier ist ein Antragsformular für die DFG und hier eines für den Deutschen Akademischen Austauschdienst und hier eine Ausschreibung der Max-Planck-Gesellschaft. Wir sollten gemeinsam auftreten und anstreben, eine Kooperation auf Augenhöhe mit unseren afrikanischen Partnern aufzubauen. Derzeit berät die DFG 15 afrikanische Staaten dabei, wie sie ihre Wissenschaftssysteme weiterentwickeln und etwa ihre jungen Forscher fördern können.
[...]
In Wissenschaft zu investieren – und das gilt, glaube ich, generell – ist eines der besten Investments, die wir überhaupt betreiben können. Es zahlt sich am Ende mehrfach aus: durch Forschungsergebnisse, durch Heranbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses und durch Vernetzung. Junge afrikanische Wissenschaftler stellen ein enormes Potenzial dar – für Afrika und für uns." (Katja Becker im Interview mit der ZEIT, 16.1.2020)
Darauf berichtet sie über ihre Erfahrungen bei der Forschung über Malaria in Afrika:
"ZEIT: Was haben Sie bei Ihrer eigenen Forschung in Afrika gelernt?
Becker: Ich habe mich ja mit Tropenmedizin beschäftigt – vor allem mit der Malaria. In diesem Forschungsfeld bemerken Sie schnell, wie komplex Gemengelagen sein können, wenn man etwas verändern will. Erlauben Sie einen kurzen Ausflug in die Forschung?
ZEIT: Klar.
Becker: Damit Malaria ausbricht, brauchen Sie eine MaMeMiMoMu-Konstellation.
ZEIT: Eine was?
Becker: Wenn fünf Faktoren zusammenkommen, dann gibt es in einer Region Malaria: Ma sind die Malaria-Parasiten. Me steht für den Menschen. Mi sind Mindesttemperaturen, Mo sind Moraste – und Mu steht für die Mücken, die die Krankheiten übertragen. Wenn Sie nur einen dieser fünf Faktoren für wenige Wochen ausschalten, ist die Malaria verschwunden.
ZEIT: Moraste zu beseitigen ist also genauso gut, wie die Mücken zu bekämpfen?
Becker: Genau. In Deutschland kam die Malaria in einzelnen Gebieten auch im 19. Jahrhundert noch vor, bis man die Rheinarme begradigte. In Italien gab es sie, bis Mussolini die Sümpfe austrocknen ließ. Aber man hat eben auch andere Möglichkeiten, die Malaria zu bekämpfen. Worauf ich hinausmöchte: Idealerweise wirken mehrere Komponenten zusammen, um ein optimales Ergebnis zu erzielen. Ich habe in Afrika sehr eindrucksvoll erfahren, dass Wissenschaft, Gesellschaft und Politik zusammenwirken müssen, um Probleme zu lösen." (Katja Becker im Interview mit der ZEIT, 16.1.2020)
Es lohnt sich, das vollständige Interview nachzulesen, denn Katja Becker spricht auch darüber, weshalb vieles, was wissenschaftlich gesehen notwendig ist, politisch nicht durchsetzbar ist, weil es die Mehrheit der Menschen nicht erreicht. - Offenkundig ist das ja beim Klimawandel. - Vorbildlich scheint ihr daher ein Konzept, das sie in Afrika kennengelernt hat und zwar in Simbabwe:
"Becker: In Simbabwe gibt es das Konzept der "Friendship-Bench" – einer Parkbank, auf der psychologisch geschulte Bürger, meist Großmütter, sitzen und sich mit Menschen unterhalten, die gefährdet sind, an einer Depression zu erkranken. Warum entwickeln wir nicht eine "Science-Bench"für die Wissenschaft? Ein Forscher sitzt auf einer Bank in Berlin-Marzahn und spricht mit Passanten und Menschen, die sich zu ihm setzen."
(Katja Becker im Interview mit der ZEIT, 16.1.2020)
Freilich, es hilft nichts, wenn sich nur die Wissenschaftler bemühen, verstanden zu werden. Wir müssen uns auch bemühen, zuzuhören und zu verstehen.
Freilich gibt es nicht genügend Parkbänke, auf denen Wissenschaftler sitzen, um uns etwas zu erklären.
Aber können schon einen Anfang machen bei ScienceforFuture. Von dort führen Wege weiter zu ausführlicheren Darstellungen und zwar nicht nur zu solchen von Naturwissenschaftlern.
Digitaler Kolonialismus Ausgabe 2/2019 von das goethe (Magazin des Goethe-Instituts)
Donnerstag, 16. Januar 2020
In Afrika steckt viel Potential
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