Von dem, was in dem vorhergehenden Artikel über die Gesprächspartnerinnen berichtet wurde, ist Juanice Mollel und Janicke Kernland vor ihrem Videokontakt nur ihre Seite bekannt. So beginnt ihr Gespräch tastend.
Die Norwegerin fragt, die Tansanierin antwortet:
Was ist mit dem Klimawandel? Macht er sich schon in der Serengeti bemerkbar?
Die Landschaft dort habe sich in kürzester Zeit wahnsinnig verändert, sagt Junaice Mollel, allerdings auch wegen des unmittelbaren Handelns der Menschen. "Ich war zuletzt 2019 da, und als ich es jetzt gesehen habe, konnte ich es kaum glauben. So viele Zelte und Unterkünfte! Bald gibt es mehr Camps als Tiere."
Ob auch Tansanier Safaris machen, will Janicke Kernland als Nächstes wissen.
"Eigentlich ist es nicht so unsere Kultur, in den Busch zu gehen, um Tiere anzugucken", antwortet Junaice Mollel.
Ein kurzes Zögern – was könnte man noch besprechen? Bevor die Stille zu groß wird, füllt Janicke Kernland sie: "Also, ich habe bei dieser Frage, ob hartes Arbeiten immer zu einem besseren Leben führt, mit Ja geantwortet. Aber das war vielleicht eine arrogante Antwort. Das habe ich aus meiner privilegierten Perspektive geschrieben."
Junaice Mollel: "Ich habe mit Nein geantwortet, weil ich so viele Menschen hier kenne, die hart arbeiten und es trotzdem nicht schaffen, ihrer Familie Essen auf den Tisch zu stellen. Würde ich meinen Job verlieren, würde ich sofort auf null zurückfallen." Sie erzählt vom Vater, von den Schlägen, dem Hunger. Auf der anderen Seite des Bildschirms ist es ganz still. Wegen der Erfahrungen mit ihrem Vater habe sie auch bei der Frage zur Geschlechtergerechtigkeit mit Nein geantwortet, sagt Junaice Mollel. "Natürlich sollen Frauen und Männer gleiche Chancen haben." Allerdings trage ein Mann, der eine Familie hat, eben eine besondere Verantwortung. Er sei der Versorger, er stehe in der Pflicht, er müsse das Essen nach Hause bringen. "Mein Vater hat das nicht getan." In Tansania gebe es einen großen Unterschied zu Europa: Der Mann bestimme das gemeinsame Leben in der Familie. "Wenn Männer so gerne Männer sein wollen, sollen sie sich auch so verhalten."
Janicke Kernland sagt, sie verstehe, warum Junaice die Frage mit Nein beantwortet habe. In Norwegen sei das alles ganz anders. "Es gibt hier per Gesetz Gleichberechtigung." Jeder habe die gleichen Rechte, egal ob Mann, Frau, trans.
Junaice Mollel: "Transgender! Davon muss man hier gar nicht erst anfangen. Das ist komplett neu für uns."
Janicke Kernland: "Und wenn man seine Kinder schlägt, kann man bei uns ins Gefängnis kommen."
Junaice Mollel: "Wie hast du denn dann deine Kinder diszipliniert?"
"Ich habe geschrien!" Großes Gelächter.
Junaice Mollel: "Das Gesetz sollte man lieber nicht nach Tansania bringen ..."
Junaice hat klare Vorstellungen darüber, wie sie ihr weiteres Leben gestalten will. Zwei Kinder haben und ihnen die beste Mutter sein: Nur vor einer Sache fürchte sie sich dabei: "Dass ich mich für den falschen Mann entscheide."
Nach dem zögernden Beginn kommt es jetzt - entgegen den vorherigen Erwartungen der beiden Frauen zu einem engagierten flüssigen Austausch.
3084 Menschen aus 116 Ländern haben bei dem Experiment "The World talks" in ähnlicher Weise miteinander gesprochen: "Um möglichst diverse und globale Gesprächspaare zu bilden, haben wir darauf geachtet, dass kein Land mehr als 40 Prozent der Teilnehmenden stellt. Ein Algorithmus fand letztlich für 3.084 Menschen einen Gesprächspartner – 1.542 Gegensatzpaare, die möglichst weit voneinander entfernt wohnen und möglichst unterschiedlicher Meinung sind. Rund 57 Prozent von ihnen sind Männer, knapp 41 Prozent Frauen. Das Durchschnittsalter liegt bei 42 Jahren." (ZEIT ONLINE 25.6.23)
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