Auf dem Weg zu einer Buchbesprechung von "Mambés Heimat" von Hilaire Mbakop
Mambé geht durch
Jaunde und beobachtet einige Straßenszenen. Dabei gewinnt er Eindrücke über Kaufhäuser, Konditoreien, Telefonzellen, die per Handy organisiert werden, über die Promiskuität, über Bäckereien, Taxis und - bei seiner Wohnungssuche - über den Wohnungsmarkt in
Jaunde.
Er erlebt auch kleine Szenen, in denen handelnde Personen Urteile über das Leben in Kamerun abgeben. Etwa wenn ein "Verrückter" den vor den Bankschaltern Wartenden eine wirtschafts- und staatskritische Rede mit philosophischen Einsprengseln hält, oder wenn ein älterer Mann den jetzigen Staatspräsidenten kritisiert und wehmütig an die Zeit des vorigen Staatspräsidenten erinnert.
Daneben gibt es aber auch manche Passagen bei denen Mambés Perspektive ganz verlassen wird, so etwa bei der Kritik am kamerunischen Fernsehen und an der Presse:
Zunächst wird noch aus Mambés Perspektive erzählt:
"Beim Essen schaute sich Mambé eine Kabelfernsehsendungen an. Ein französischer Kanal zeigte einen Tierfilm. [...] "
Doch dann geht die Darstellung fließend von
erlebter Rede in einen allgemeinen Erzählerbericht über, der den Eindruck erweckt, als sollte der landesunkundige Leser in die kamerunischen Verhältnisse eingeführt werden:
"Das kamerunische Fernsehen wäre nicht in der Lage gewesen, eine solche Sendung zu produzieren. Dazu müssten die Journalisten über eine gute technische Ausrüstung verfügen. In der Schule, in der kamerunischen Journalisten ausgebildet wurden, fand man nur veraltete Geräte. Die meisten davon waren nicht funktionstüchtig. Schlimmer als die schlechte Ausrüstung dieser Schule war die Tatsache, dass sie die Kritikfähigkeit der Menschen unterdrückte. Sie brachte linientreue Journalisten hervor. Das war ihr ihre einzige Aufgabe. [...]
Der Staat hatte auch seine eigene Presse. Sie war ebenfalls linientreu. Wenn der Präsident sich ins Ausland begab, erzählte er gern dort, dass die kamerunischen Medienlandschaft vielfältig sei. Das stimmte ja auch. Aber wenn er hinzufügte, dass diese Medienvielfalt mit der Pressefreiheit einherging, war es falsch. Denn die privaten Medien unterlagen der Zensur. Ein Journalist, der sich kritisch über die Regierung äußerte, wurde ohne Gerichtsurteil ins Gefängnis geworfen oder gar liquidiert. Gleichzeitig wurde seine Wohnung durchsucht. Es war verboten, sich über den Gesundheitszustand des Staatschefs zu äußern. Der Herausgeber einer Privatzeitung wurde inhaftiert, weil er einmal gesagt hatte, dass der Präsident krank sei. Tatsächlich war dieser krank. Er war nämlich nach Europa gereist, um sich behandeln zu lassen." (S.58/59)
Der Eindruck verstärkt sich, wenn anlässlich eines Restaurantbesuchs Mambés ausführlich erläutert wird, wie das von ihm bestellte Essen zubereitet wird und wie es nicht zubereitet werden darf.
"Mambé bestellte Mais-Couscous mit "Ndolè". Ein afrikanisches Gericht.
"Ndolè" waren grüne Blätter einer Pflanze. Man musste die Blätter stundenlang waschen, damit sie ihren bitteren Geschmack verloren. Man konnte die Waschzeit verkürzen, indem man die Blätter zuerst in einem Wassertopf tat, Steinsalz hinzugab und das Ganze zum Sieden brachte. Nachdem man sie gewaschen hatte, setzte man einen Topf aufs Feuer. Dann tat man Wasser hinein, danach die Blätter und gemahlene Erdnüsse und schließlich Salz und Öl. Es gab auch Leute, die zuerst Öl in den Topf hineingossen und noch warteten, bis es rauchte, bevor sie irgendetwas hineintaten. Dadurch wurden die Nährstoffe und das Aroma des Öls zerstört, was der Grund dafür war, dass diese Leute ihre Speisen so stark würzen mussten." (S.58)
Als Leser schwanke ich zwischen Assoziationen zum Auftreten von Nietzsches
tollem Menschen ("Verrückter") und zu Stifters betont banalen Detailberichten in
Witiko und
Nachsommer ("Dann tat man Wasser hinein ...") und dem Wunsch, es würde mehr erzählt und weniger belehrt.
Doch dann wird Mambé allmählich stärker in das Geschehen hineingezogen. - Dazu später mehr.
Walter Böhme