Donnerstag, 22. August 2013

In den Armenvierteln von Jaunde

Auf dem Weg zu einer Buchbesprechung von "Mambés Heimat" II

"Tapioka war ein Lebensmittel, das zwar billig und sättigend, aber ohne großen Nährwert war. Ein typisches Essen für die arme Bevölkerung." (S.133)

Da ihm der Aufenthalt im Hotel auf Dauer zu teuer kommt, geht Mambé gezielt auf Wohnungssuche.
Mit Maklern hat er bald übergenug schlechte Erfahrungen gemacht. Stets hat er die Gebühr im Voraus bezahlen müssen und dann nie etwas Brauchbares angeboten bekommen. So sucht er jetzt auf eigene Faust in den Vierteln, wo er hoffen darf, etwas Preisgünstiges zu finden.
Während bis dahin die allgemeinen Informationen über das gesellschaftliche Leben überwogen, wird er jetzt genauer mit den persönlichen Problemen der Armen bekannt.
"Wenn man sich in den Armenvierteln Yaoundés befand, brauchte man nicht lange zu warten, um das, was man dort "kostenloses Theater" nannte, zu sehen. Die Szenen des Dramas spielten sich auf der Straße ab und überboten sich gegenseitig an Sensation und Tragik. In dem vornehmen Vierteln dagegen waren solche Geschehnisse eher selten. Ihre Einwohner befanden sich hinter den hohen Mauern, die ihre Villen umgaben, oder in ihren Privatfahrzeugen, deren Fenster meistens aus Rauchglas waren. Die wenigen Probleme, die sie hatten, ließen sie die Passanten nicht mitbekommen. Die Armen hingegen hatten zu viele Probleme und scheuten sich nicht, sie vor aller Augen zu besprechen. Man wanderte durch die Straßen und sah und hörte eine skandalöse Geschichte um die andere." (S.114f.)

Dienstag, 20. August 2013

Ein Streifzug durch den Alltag Kameruns

Auf dem Weg zu einer Buchbesprechung von "Mambés Heimat" von Hilaire Mbakop

Mambé geht durch Jaunde und beobachtet einige Straßenszenen. Dabei gewinnt er Eindrücke über Kaufhäuser, Konditoreien, Telefonzellen, die per Handy organisiert werden, über die Promiskuität, über Bäckereien, Taxis und - bei seiner Wohnungssuche - über den Wohnungsmarkt in Jaunde.
Er erlebt auch kleine Szenen, in denen handelnde Personen Urteile über das Leben in Kamerun abgeben. Etwa wenn ein "Verrückter" den vor den Bankschaltern Wartenden eine wirtschafts- und staatskritische Rede mit philosophischen Einsprengseln hält, oder wenn ein älterer Mann den jetzigen Staatspräsidenten kritisiert und wehmütig an die Zeit des vorigen Staatspräsidenten erinnert.

Daneben gibt es aber auch manche Passagen bei denen Mambés Perspektive ganz verlassen wird, so etwa bei der Kritik am kamerunischen Fernsehen und an der Presse:
Zunächst wird noch aus Mambés Perspektive erzählt: "Beim Essen schaute sich Mambé eine Kabelfernsehsendungen an. Ein französischer Kanal zeigte einen Tierfilm. [...] "
Doch dann geht die Darstellung fließend von erlebter Rede in einen allgemeinen Erzählerbericht über, der den Eindruck erweckt, als sollte der landesunkundige Leser in die kamerunischen Verhältnisse eingeführt werden:
"Das kamerunische Fernsehen wäre nicht in der Lage gewesen, eine solche Sendung zu produzieren. Dazu müssten die Journalisten über eine gute technische Ausrüstung verfügen. In der Schule, in der kamerunischen Journalisten ausgebildet wurden, fand man nur veraltete Geräte. Die meisten davon waren nicht funktionstüchtig. Schlimmer als die schlechte Ausrüstung dieser Schule war die Tatsache, dass sie die Kritikfähigkeit der Menschen unterdrückte. Sie brachte linientreue Journalisten hervor. Das war ihr ihre einzige Aufgabe. [...]
Der Staat hatte auch seine eigene Presse. Sie war ebenfalls linientreu. Wenn der Präsident sich ins Ausland begab, erzählte er gern dort, dass die kamerunischen Medienlandschaft vielfältig sei. Das stimmte ja auch. Aber wenn er hinzufügte, dass diese Medienvielfalt mit der Pressefreiheit einherging, war es falsch. Denn die privaten Medien unterlagen der Zensur. Ein Journalist, der sich kritisch über die Regierung äußerte, wurde ohne Gerichtsurteil ins Gefängnis geworfen oder gar liquidiert. Gleichzeitig wurde seine Wohnung durchsucht. Es war verboten, sich über den Gesundheitszustand des Staatschefs zu äußern. Der Herausgeber einer Privatzeitung wurde inhaftiert, weil er einmal gesagt hatte, dass der Präsident krank sei. Tatsächlich war dieser krank. Er war nämlich nach Europa gereist, um sich behandeln zu lassen." (S.58/59)

Der Eindruck verstärkt sich, wenn anlässlich eines Restaurantbesuchs Mambés ausführlich erläutert wird, wie das von ihm bestellte Essen zubereitet wird und wie es nicht zubereitet werden darf.
"Mambé bestellte Mais-Couscous mit "Ndolè". Ein afrikanisches Gericht.
"Ndolè" waren grüne Blätter einer Pflanze. Man musste die Blätter stundenlang waschen, damit sie ihren bitteren Geschmack verloren. Man konnte die Waschzeit verkürzen, indem man die Blätter zuerst in einem Wassertopf tat, Steinsalz hinzugab und das Ganze zum Sieden brachte. Nachdem man sie gewaschen hatte, setzte man einen Topf aufs Feuer. Dann tat man Wasser hinein, danach die Blätter und gemahlene Erdnüsse und schließlich Salz und Öl. Es gab auch Leute, die zuerst Öl in den Topf hineingossen und noch warteten, bis es rauchte, bevor sie irgendetwas hineintaten. Dadurch wurden die Nährstoffe und das Aroma des Öls zerstört, was der Grund dafür war, dass diese Leute ihre Speisen so stark würzen mussten." (S.58)

Als Leser schwanke ich zwischen Assoziationen zum Auftreten von Nietzsches tollem Menschen ("Verrückter") und zu Stifters betont banalen Detailberichten in Witiko und Nachsommer ("Dann tat man Wasser hinein ...") und dem Wunsch, es würde mehr erzählt und weniger belehrt.
Doch dann wird Mambé allmählich stärker in das Geschehen hineingezogen. - Dazu später mehr.
Walter Böhme

Samstag, 17. August 2013

Ein erster Blick auf Mambés Heimat

Mambé kehrt zurück. Er löst damit Befremden aus. Der Taxifahrer rechnet nicht damit, dass er auf Dauer bleibt. Und sehr fremd tritt auch seine Heimat  Mambé entgegen.
Immer wieder wird Mambé erklärt, weshalb seine Heimat anders ist, als er es erwartet. Sie ist ihm nicht das, was von der Kindheit heraufscheint, wie Ernst Bloch einmal Heimat gesehen hat. Sie ist verstörend.

Textbeispiele:

"So sind die Fahrer der Reisebüros," sagte Sobi und fügte hinzu: "Sie rasen und überholen immer auf dieser Straße, obwohl sie wissen, dass sie nicht breit ist. Wissen Sie, die haben keinen festen Lohn, sondern werden nach der Zahl der Hin- und Rückfahrten, die sie machen, bezahlt. Die Draufgänger fahren so unvernünftig, um die normale Fahrtdauer zu unterschreiten, und so spielen sie mit unserem Leben. Es kommt oft vor, dass sie am Steuer dösen, weil sie überanstrengt sind. [...] " (S.11) 
Nicht umsonst ist unser Land schon zweimal das korrupteste Land der Welt gewesen. [...] Die enttäuschten klugen Köpfe wandern aus! [...] Eines ist sicher: Es gibt keine Bestochenen ohne Bestechende und umgekehrt. Das bedeutet, dass jeder Einzelne sich weigern muss, zu bestechen oder bestochen zu werden. (S.21/22)
Vor ihnen stand ein Haus in Flammen. Fünf Personen waren damit beschäftigt, Wasser aus einem Ziehbrunnen zu schöpfen und es in die aus dem Haus schlagenden Flammen zu schütten. Doch ihre Aktion war wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Einige Kinder weinten. Die schaulustige Menge schrie weiter. Die Brandstifterin war eine Frau von 30 Jahren. Nach ihrer Aktion hatte sie sich aus dem Staub gemacht. Ihr Ex-Freund war unter denjenigen, die das Feuer verzweifelt zu löschen versuchten. Sie hatte das Haus, in dem er wohnte, in Brand gesteckt, weil er sie angelogen hatte. Als sie mit ihm zusammen gewesen war, hatte er ihr häufig gesagt, dass er nur sie liebe und nur sie heiraten würde. Dann hatte er sein Wort gebrochen und eine andere geheiratet. (S.116) 
Hilaire Mbakop:  Mambés Heimat, 2007

Walter Böhme