Wie viele neue Wörter kann man
pro Tag verdauen?
Berlin, Flüchtlingsnotunterkunft Rathaus Wilmersdorf, 10 Uhr vormittags.
Vier Kinder sind schon da, die ehrenamtlichen Sprachhelfer Rita und
Peter beginnen ihre Vormittagsklasse: Alle fassen sich an den Händen
und krakeelen im Chor: »Gu-ten Mor-gen, sa-gen al-le Kin-der, gro-ße
Kin-der, klei-ne Kin-der, di-cke Kin-der, dün-ne Kinder, al-le Kin-der
sa-gen gu-ten Mor-gen.«
Maza sagt erst mal noch nichts.
Sie hat kurze dunkle Haare und ist fünf oder sechs Jahre alt. Nach ihrem
Alter fragen kann man sie nicht, weil ihre Deutschkenntnisse dazu noch
nicht ausreichen. Die einzige Frage, die sie beantwortet, ist: »Wie heißt
du?« »Maza.«
Dann beginnt sie, die Wörter von der Tafel abzumalen,
G U T E N M O R G E N, von rechts nach links, als seien es Buchstaben
des arabischen Alphabets. Mazas Mitschüler, drei aufgeweckte syrische
Jungs namens Ali, Fahim und Mohammed, sind schon ein bisschen weiter,
obwohl auch sie bei ihrem Einzug ins ehemalige Rathaus Wilmersdorf
vor drei Monaten nicht mehr als »Hallo« sagen konnten.
Heute sollen sie die Namen von Speisen und Gerichten lernen. Fahim,
vielleicht sieben oder acht, trommelt auf den Tisch, wenn die anderen
langsam die Wörter zusammenstückeln. Ihm dauert das zu lange. Er
hat einen kleinen roten Gummiball mitgebracht und trägt eine lange
Narbe im Gesicht. Sein Kumpel Ali, mit breiter Zahnlücke im Unterkiefer,
jubelt, wenn er etwas »gut« oder »prima« gemacht hat. Und die Kinder
machen in den Augen von Rita und Peter viel »prima« und »gut«.
Rita ist eigentlich Schauspielerin, Peter Journalist, aber hier und jetzt
sind beide Lotsen durchs Buchstabenmeer, durch Wirrungen von Lauten,
Silben, Wörtern. Sie sprechen die Sätze vor: »Ich esse ein Ei«, »Ich
trinke Tee«, »Und jetzt du: Ich esse ein Ei«.
Ein illustriertes Alphabet
hängt an der Wand, von A wie Affe bis Z wie Zebra. Das Lerntempo wird
gedrosselt, damit alle alles mitbekommen, aber nicht so sehr, dass sich
Fahim langweilt und die allgemeine Aufmerksamkeit nachlässt. Wobei an
diesem Mittwoch eher Ersteres zu erleben ist.
Sich zu erkundigen »Was
isst du gerne?« übersteigt das Niveau der Anfänger; zu sagen »ein Stück«
vom Kuchen, erzeugt fragende Augen, zu fragen »Was trinkst du zum
Kuchen?« nur noch schweigendes Unverständnis.
Fahim fängt an, mit seinem Gummiball zu spielen. Dann fragt er, ob es
schon Zeit für »Auf Wiedersehen« sei. Noch nicht, bescheidet ihm Rita,
noch einmal muss er sich hinsetzen, er soll noch ein paar neue Wörter
lernen, noch ein paar bereits gelernte wiederholen. Jeden Tag stellt sich
hier die Frage: Wie viele neue Wörter verarbeitet ein Kind wie Ali pro
Tag? Wie hält man Fahims Aufmerksamkeit, damit er seinen Gummiball
für eine Weile vergisst? Und wie schafft man einen Augenblick der Ruhe,
damit Maza zu hören ist? Dann, wenn sie bereit ist zu sprechen. [...]
mehr dazu in das Goethe. Kulturmagazin des Goethe-Instituts:
https://www.goethe.de/resources/files/pdf79/das_goethe_Ausgabe1_Ansicht_0903161.pdf
Montag, 11. April 2016
Samstag, 9. April 2016
NORD-SÜD-SHARING – DIGITALE UND OFFENE ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT IN DER LEHRE
"Inwieweit gehört es eigentlich zur Aufgabe einer deutschen Hochschule, Lernangebote für Menschen in Afrika zu gestalten? Die wenigsten Hochschulen sahen sich bisher mit dieser Frage konfrontiert. Das könnte sich jetzt ändern. Denn immer mehr Hochschulen stellen Lernangebote online zur Verfügung – offen für alle, die sich für das Thema interessieren, die Sprache des Angebots verstehen und einen Internetzugang haben."
(NORD-SÜD-SHARING – DIGITALE UND OFFENE ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT IN DER LEHRE, 8.4.16)
(NORD-SÜD-SHARING – DIGITALE UND OFFENE ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT IN DER LEHRE, 8.4.16)
Labels:
Entwicklungszusammenarbeit,
Universität
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