Angola hat - dank seines Ölreichtums - letztens das höchste Wachstum des Bruttosozialprodukts der Welt: 23 Prozent. Seine Hauptstadt Luanda war 2013 nach dem Ranking der Unternehmensberatung Mercer die teuerste Stadt der Welt. Das berichtet Thomas Schmid in seinem Artikel "Afrikas Boom, Afrikas Kriege" in der Frankfurter Rundschau vom 28.9.13.
Wie kann dies Wirtschaftswachstum für dauerhafte industrielle Entwicklung genutzt werden?
Eine Frage, vor der - anders gelagert, aber vergleichbar - etwa die Hälfte der afrikanischen Staaten stehen.
Bei den anderen lautet die Frage: Wie gelingt wirtschaftliche Entwicklung ohne Erdöl.
Eine Antwort, aber beileibe keine einfache, gibt der Artikel: Der Mann, der die Wüste aufhielt.
Sonntag, 29. Dezember 2013
Donnerstag, 19. Dezember 2013
Elektronikschrottrecycling in Ghana
ZEIT, 19.12.13, S21-22 "Was am Ende übrig bleibt" über Agbogbloshie, einen Vorort von Accra: Recyclinghölle oder -paradies?
vgl. auch: Alles Schrott – Was der illegale Elektromüll in Ghana anrichtet. auf SWR2 Sendung vom 13. September 2012 (Christiane Schütze) (PDF; 121 kB), abgerufen am 22. September 2012.
vgl. auch: Alles Schrott – Was der illegale Elektromüll in Ghana anrichtet. auf SWR2 Sendung vom 13. September 2012 (Christiane Schütze) (PDF; 121 kB), abgerufen am 22. September 2012.
Labels:
Elektronik,
Elektronikschrott,
Ghana,
Recycling
Dienstag, 17. Dezember 2013
Burundi-Tagebuch
Brandaktuell und aus dem persönlichen Erleben heraus berichtet Philipp Ziser in seinem Burundi-Tagebuch.
Beispiel:
Zentralmarkt in Flammen
Kurznachrichten aus Burundi sendet er über Twitter.
Zwei Beispiele:
Vom Waldvolk zur verhöhnten Minderheit: Die Batwa-Pygmäen in Burundi
Ostafrikanische Staaten vereinbaren Währungsunion
Beispiel:
Zentralmarkt in Flammen
Kurznachrichten aus Burundi sendet er über Twitter.
Zwei Beispiele:
Vom Waldvolk zur verhöhnten Minderheit: Die Batwa-Pygmäen in Burundi
Ostafrikanische Staaten vereinbaren Währungsunion
Freitag, 6. Dezember 2013
Nelson Mandela
Er wollte Reformen, war bald frustriert und sah keine Chancen mehr für einen gewaltlosen Kampf.
Dann kam er ins Gefängnis und wurde dadurch stärker: psychisch und durch seine internationale Wirkung.
Er hat amüsiert und beglückt davon gesprochen, dass es Leute gab, die dachten, sein Vorname sei "Free",
weil allüberall Poster mit der Aufschrift "Free Mandela" hingen.
Gegen Ende seiner Gefangenschaft war er so stark geworden, dass die Apartheid-Regierung in ihm die einzige Kraft gesehen hat, die den von ihr heraufbeschworenen Konflikt beenden könnte.
Amnesty International gedenkt seiner als eines großen Kämpfers für Menschenrechte.
Die Wikipedia bemüht sich um Neutralität und kommt doch nicht umhin um den Satz:
"Er gewann internationalen Respekt für sein Eintreten für nationale und internationale Versöhnung."
In der Wikipedia finden sich auch folgende Links zu Nachrufen auf Mandela:
spiegel.de: Held der Freiheit;
FAZ.net: Nelson Mandela gestorben;
sueddeutsche.de: Der Versöhner, der unerträgliche Dinge ertrug;
zeit.de: Nelson Mandela ist tot, Der großmütige Revolutionär;
The Guardian: Nelson Mandela dies aged 95;
Le Monde: Nelson Mandela est mort;
New York Times: Nelson Mandela, South Africa’s Liberator as Prisoner and President, Dies at 95
In unserem Blog gab es bereits drei Artikel, die seine Verdienste würdigten.
Dann kam er ins Gefängnis und wurde dadurch stärker: psychisch und durch seine internationale Wirkung.
Er hat amüsiert und beglückt davon gesprochen, dass es Leute gab, die dachten, sein Vorname sei "Free",
weil allüberall Poster mit der Aufschrift "Free Mandela" hingen.
Gegen Ende seiner Gefangenschaft war er so stark geworden, dass die Apartheid-Regierung in ihm die einzige Kraft gesehen hat, die den von ihr heraufbeschworenen Konflikt beenden könnte.
Amnesty International gedenkt seiner als eines großen Kämpfers für Menschenrechte.
Die Wikipedia bemüht sich um Neutralität und kommt doch nicht umhin um den Satz:
"Er gewann internationalen Respekt für sein Eintreten für nationale und internationale Versöhnung."
Innerhalb kürzester Zeit konnten sich die ANC-Aktivisten unter Mandelas Führung innerhalb des gesamten Gefängnisses neu organisieren. Es wurden mehrere Komitees mit unterschiedlichen Aufgaben gegründet - etwa für disziplinarische Belange, für Bildungsfragen oder für die Informationsbeschaffung. "Wir betrachteten den Kampf im Gefängnis als Mikrokosmos des Kampfes insgesamt. Wir würden drinnen genauso kämpfen wie wir draußen gekämpft hatten. Der Rassismus und die Unterdrückung waren die gleichen", schrieb Mandela in seinen Erinnerungen. Das erklärte Ziel: Die Haftbedingungen zu verbessern. Was ihn stärkte und ihm Rückhalt bot, war die Nähe zu seinen politischen Weggefährten - allen voran Walter Sisulu, später stellvertretender Präsident des ANC. "Der größte Fehler der Behörden war, uns zusammenzulassen. Was immer wir lernten, was immer wir erfuhren, wir teilten es miteinander, und indem wir es miteinander teilten, vervielfachten wir, was immer wir an individuellem Mut besaßen." [...]Dann kam Soweto und änderte alles. Im Sommer 1976 kam es in dem Vorort von Johannesburg zu blutigen Massenprotesten gegen das Apartheidregime. Über 500 Menschen verloren ihr Leben - hauptsächlich Jugendliche. Plötzlich erinnerte man sich wieder an die alten Freiheitskämpfer, die mehr als ein Jahrzehnt zuvor eingekerkert worden waren. Mandela wurde zum potenten Symbol des Widerstands gegen die Regierung. Vier Jahre später initiierte sein langjähriger Weggefährte Oliver Tamboo, mit dem er in Johannesburg einst eine Kanzlei betrieben hatte und der später die ANC-Führung im Exil übernommen hatte, die Kampagne "Free Mandela". Nun war Mandela in aller Munde und wurde als berühmtester politischer Gefangener gefeiert. Allein zwölf Ehrendoktorwürden bekam er noch zu Haftzeiten verliehen. (Die Hölleninsel, Spiegel online, 7.12.13)Mandelas Gefängniswärter Brand und sein Verhältnis zu Mandela, Spiegel online, 8.12.13
In der Wikipedia finden sich auch folgende Links zu Nachrufen auf Mandela:
spiegel.de: Held der Freiheit;
FAZ.net: Nelson Mandela gestorben;
sueddeutsche.de: Der Versöhner, der unerträgliche Dinge ertrug;
zeit.de: Nelson Mandela ist tot, Der großmütige Revolutionär;
The Guardian: Nelson Mandela dies aged 95;
Le Monde: Nelson Mandela est mort;
New York Times: Nelson Mandela, South Africa’s Liberator as Prisoner and President, Dies at 95
In unserem Blog gab es bereits drei Artikel, die seine Verdienste würdigten.
Dienstag, 29. Oktober 2013
Sefi Atta: Nur ein Teil von dir
"Deola Bello ist Wirtschaftsprüferin für eine Wohltätigkeitsstiftung mit Hauptsitz in Atlanta, wo wir ihr am Anfang von Sefi Attas Roman begegnen. Die Nigerianerin kommt aus reichen Verhältnissen: Ihr Vater war Direktor einer grossen Bank. Deola erinnert sich an ihn, wie er mit Zigarre und Whiskyglas ihr und ihren Geschwistern beim Toben im Swimmingpool zusah, damals, in ihrem Ferienhaus in Cádiz. Heute besitzt Deola eine Wohnung in London, hat einen spannenden Beruf, der sie in der Welt herumbringt, und gute Freunde. Sie könnte glücklich sein, wäre da nicht das Problem, das sie mit vielen Enddreissigerinnen teilt: die biologische Uhr. Deola hätte gern Kinder, hat aber den Mann dazu noch nicht gefunden. ..." (Sefi Atta: Nur ein Teil von dir)
Almut Seiler-Dietrichs vollständige Rezension ist ind der NZZ vom 29.10.13 erschienen.
Labels:
Nigeria,
Roman,
Sefi Atta,
Wirtschaftsprüferin
Freitag, 18. Oktober 2013
Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit in Douala - KAMERUN
Am 4. Oktober 2013 hat die deutsche Botschaft von Kamerun eine Zeremonie zum Gedenken an die Wiedervereinigung Deutschlands veranstaltet. Unter den Gästen des Botschafters, seiner Exzellenz Dr. Klaus Ludwig Keferstein, zählten unter anderem der Gouverneur der „ Küstenregion“ Herr Joseph Beti Assomo, Persönlichkeiten aus der kamerunischen Verwaltung, aus der Wirtschaft, aus der Zivilgesellschaft, und Deutsche, die in der Stadt Douala und deren Umgebung leben und arbeiten.
Die Feierlichkeiten begannen um 18 Uhr 30 mit dem Empfang des Gouverneurs, der höchsten Verwaltungspersönlichkeit der Region, durch den Botschafter Dr. Klaus Ludwig Keferstein und seine Frau Ulrike. Dann folgte das Singen der Nationalhymnen Deutschlands und Kameruns von dem berühmten kamerunischen Sänger und Pianisten Eko Roosevelt.
Daran schloss sich die Rede des Botschafters an. Er betonte die ausgezeichneten diplomatischen Beziehungen zwischen Kamerun und Deutschland, die zukünftigen Perspektiven des deutschen Auswärtigen Amts um Frieden, Stabilität und Menschenrechte zu gewährleisten, sowie die neue deutsche Außenpolitik gegenüber den Entwicklungsländern. In einem kurzen Rückblick auf die letzten parlamentarischen Wahlen in Deutschland verwies der Botschafter Deutschland als demokratisches Modell. Die nächste Bundesregierung wird sicherlich eine Koalition aus CDU und SPD sein.
Zum Schluss wurde das Büfett eröffnet und jeder Gast konnte sich nach seinem Geschmack selbst bedienen. Am Tag vorher hatten der Botschafter und seine Frau Ulrike eine ähnliche Zeremonie im Hotel Hilton in der politischen Hauptstadt Jaunde organisiert. Zu den Gästen zählten diesmal Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft, dem diplomatischen Korps und Vertretern aus dem Kulturkreis. Wir wünschen uns nur, dass diese Feierlichkeiten zum 23. Tag der deutschen Einheit helfen, Demokratie, Menschenrechte, Frieden und gute deutsch - kamerunische Beziehungen weiter zu verstärken.
William CHANTCHO Douala - KAMERUN
Die Feierlichkeiten begannen um 18 Uhr 30 mit dem Empfang des Gouverneurs, der höchsten Verwaltungspersönlichkeit der Region, durch den Botschafter Dr. Klaus Ludwig Keferstein und seine Frau Ulrike. Dann folgte das Singen der Nationalhymnen Deutschlands und Kameruns von dem berühmten kamerunischen Sänger und Pianisten Eko Roosevelt.
Daran schloss sich die Rede des Botschafters an. Er betonte die ausgezeichneten diplomatischen Beziehungen zwischen Kamerun und Deutschland, die zukünftigen Perspektiven des deutschen Auswärtigen Amts um Frieden, Stabilität und Menschenrechte zu gewährleisten, sowie die neue deutsche Außenpolitik gegenüber den Entwicklungsländern. In einem kurzen Rückblick auf die letzten parlamentarischen Wahlen in Deutschland verwies der Botschafter Deutschland als demokratisches Modell. Die nächste Bundesregierung wird sicherlich eine Koalition aus CDU und SPD sein.
Zum Schluss wurde das Büfett eröffnet und jeder Gast konnte sich nach seinem Geschmack selbst bedienen. Am Tag vorher hatten der Botschafter und seine Frau Ulrike eine ähnliche Zeremonie im Hotel Hilton in der politischen Hauptstadt Jaunde organisiert. Zu den Gästen zählten diesmal Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft, dem diplomatischen Korps und Vertretern aus dem Kulturkreis. Wir wünschen uns nur, dass diese Feierlichkeiten zum 23. Tag der deutschen Einheit helfen, Demokratie, Menschenrechte, Frieden und gute deutsch - kamerunische Beziehungen weiter zu verstärken.
William CHANTCHO Douala - KAMERUN
Botschafter Klaus Ludwig Keferstein mit seiner Frau Ulrike,
links: William Chantcho
Botschafter Keferstein mit deutschen Gästen
Samstag, 28. September 2013
Mittwoch, 25. September 2013
"Mambés Heimat" von Hilaire Mbakop
Wer
sich sein heiles Bild von Afrika bewahren möchte: Sahara, Nil,
Pyramiden, Serengeti und Badestrände am Meer, der sollte dies Buch
besser nicht lesen.
Doch
wenn er verstehen möchte, weshalb so viele Afrikaner so gar nicht
"heimattreu" sind, weshalb sie große Strapazen, ja ein
monatelanges, manchmal jahrelanges Wanderleben auf sich nehmen, um
endlich an der Mittelmeerküste in das Schlauchboot zu steigen, das
sie nach Europa, dem Kontinent der unbegrenzten Möglichkeiten und
der Freiheit, bringen wird, dann ist "Mambés Heimat" für
ihn der richtige Zugang.
"Nachdem
Mambé 20 Jahre in Amerika verbracht hatte, kehrte er in seine Heimat zurück." So
lautet der erste Satz.
Rückkehr
zum Ort der Kindheit? Eine Welt der Abenteuer? Ein Start-up, das die
alte Heimat "fit für die Zukunft" macht? Was erwartet uns?
Zunächst
einmal Hitze ohne Klimaanlage, halsbrecherische Autofahrten über
von Schlaglöchern durchsiebte Straßen und die allgegenwärtige
Korruption. In Jaunde (Yaoundé) lernt man dann
gesellschaftliches Leben von Kamerun kennen. So in einer der fünf Warteschlangen in der Bank, wo Mambé stundenlang
warten muss, um Geld abholen zu können.
Das
nützt ein "Verrückter" aus, um den Wartenden eine Rede
zu halten. Mit wirtschafts- und regierungskrischen Tönen weckt er
allgemeines Interesse, bis er eine Bombe ankündigt, mit
der er das Land von der Diktatur befreien und sich selbst zum Präsidenten machen will. Auch will er einen Bestseller schreiben, den er bereits im Kopf habe.
Danach
beginnt ein längerer Abschnitt, der in diesem Bestseller des
"Verrückten" stehen könnte. Immer wieder folgen auf kurze
Erlebnisse Mambés reflektierende Passagen, in denen über die
Verhältnisse in Kamerun berichtet wird. So, als der im Hotel im
Kabelfernsehen einen französischen Tierfilm sieht:
"Das kamerunische Fernsehen wäre nicht in der Lage gewesen, eine solche Sendung zu produzieren. Dazu müssten die Journalisten über eine gute technische Ausrüstung verfügen. In der Schule, in der die kamerunischen Journalisten ausgebildet wurden, fand man nur veraltete Geräte. Die meisten davon waren nicht funktionstüchtig. Schlimmer als die schlechte Ausrüstung dieser Schule war die Tatsache, dass sie die Kritikfähigkeit der Menschen unterdrückte. Sie brachte linientreue Journalisten hervor. Das war ihre einzige Aufgabe. [...] Der Staat hatte auch seine eigene Presse. Sie war ebenfalls linientreu. Wenn der Präsident sich ins Ausland begab, erzählte er gern dort, dass die kamerunische Medienlandschaft vielfältig sei. Das stimmte ja auch. Aber wenn er hinzufügte, dass diese Medienvielfalt mit der Pressefreiheit einherging, war es falsch. Denn die privaten Medien unterlagen der Zensur. Ein Journalist, der sich kritisch über die Regierung äußerte, wurde ohne Gerichtsurteil ins Gefängnis geworfen oder gar liquidiert. Gleichzeitig wurde seine Wohnung durchsucht. Es war verboten, sich über den Gesundheitszustand des Staatschefs zu äußern. Der Herausgeber einer Privatzeitung wurde inhaftiert, weil er einmal gesagt hatte, dass der Präsident krank sei. Tatsächlich war dieser krank. Er war nämlich nach Europa gereist, um sich behandeln zu lassen." (S.58/59)
Anschaulich wird es, als Mambé auf Wohnungssuche geht. Mit Maklern macht er bald
übergenug schlechte Erfahrungen. Stets muss er die Gebühr im Voraus
bezahlen und dann bekommt er nie etwas Brauchbares angeboten.
Schließlich sucht er auf eigene Faust in den Vierteln, wo er hoffen
darf, etwas Preisgünstiges zu finden.
Jetzt
streift er durch Gassen, die so eng sind, dass sie den Tag in Nacht
verwandeln, er wird immer wieder in Schwaden von Gestank eingetaucht
und erlebt öffentliches Familienleben.
"Wenn man sich in den Armenvierteln Yaoundés befand, brauchte man nicht lange zu warten, um das, was man dort "kostenloses Theater" nannte, zu sehen. Die Szenen des Dramas spielten sich auf der Straße ab und überboten sich gegenseitig an Sensation und Tragik. In den vornehmen Vierteln dagegen waren solche Geschehnisse eher selten. Ihre Einwohner befanden sich hinter den hohen Mauern, die ihre Villen umgaben, oder in ihren Privatfahrzeugen, deren Fenster meistens aus Rauchglas waren. Die wenigen Probleme, die sie hatten, ließen sie die Passanten nicht mitbekommen. Die Armen hingegen hatten zu viele Probleme und scheuten sich nicht, sie vor aller Augen zu besprechen. Man wanderte durch die Straßen und sah und hörte eine skandalöse Geschichte um die andere." (S.114f.)
Diese
skandalösen Geschichten prägen den letzten Teil des Buches, bis
Mambé sich entschließt, zur Abwechslung mal ein Motorradtaxi zu
besteigen, von dem man freilich nicht viel Gutes gelesen hat.
"Vor ihnen stand ein Haus in Flammen. Fünf Personen waren damit beschäftigt, Wasser aus einem Ziehbrunnen zu schöpfen und es in die aus dem Haus schlagenden Flammen zu schütten. Doch ihre Aktion war wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Einige Kinder weinten. Die schaulustige Menge schrie weiter. Die Brandstifterin war eine Frau von 30 Jahren. Nach ihrer Aktion hatte sie sich aus dem Staub gemacht. Ihr Ex-Freund war unter denjenigen, die das Feuer verzweifelt zu löschen versuchten. Sie hatte das Haus, in dem er wohnte, in Brand gesteckt, weil er sie angelogen hatte. Als sie mit ihm zusammen gewesen war, hatte er ihr häufig gesagt, dass er nur sie liebe und nur sie heiraten würde. Dann hatte er sein Wort gebrochen und eine andere geheiratet." (S.116)
Konventioneller
wäre es, wenn Mbakop uns eine dieser Geschichten ausgestaltet und
möglichst dramatisch erzählt hätte. So aber zeigt er uns eine Art
Dokumentarfilm mit vielen kurzen Szenen und begleitendem intensivem
Geruchskino.
Faszinierend
ist daran die Authentizität. Was uns sonst nur gefiltert durch eine
Übersetzung und entsprechende Bearbeitung erreichen
würde, ist hier der Originalwortlaut des Verfassers. In seiner
Muttersprache gibt es keinen Buchmarkt, er publiziert nur auf Deutsch
und Französisch. Und man darf annehmen, dass in “Mambés Heimat”
einiges von dem eingeflossen ist, was er nach seiner Rückkehr von
einem Studienaufenthalt in Deutschland in seiner Heimat Kamerun
erfahren hat.
Hilaire
Mbakop:
Mambés
Heimat.
Ein Streifzug durch den Alltag Kameruns. Roman, Athena-Verlag, 2007. 172 Seiten, broschiert. ISBN: 978-3-89896-294-0
Labels:
Afrika,
Heimat,
Hilaire Mbakop,
Kamerun,
Mambés Heimat,
Mbakop
Anschlag auf das Westgate-Einkaufszentrum in Nairobi
In Kenia leben ungezählte Bürgerkriegsflüchtlinge aus Somalia in Lagern und in Eastleigh, einem Stadtteil von Nairobi, den die SZ "eine Art ausgelagerte zweite Hauptstadt Somalias" nennt.
Für den Anschlag im Westgate-Zentrum standen schon lange perspektivlose junge Somalier bereit. Ein wirtschaftlicher Aufschwung Kenias, der nur die Schere zwischen Arm und Reich vergrößert, hilft nicht gegen Perspektivlosigkeit, die sich in Terror entlädt.
Für den Anschlag im Westgate-Zentrum standen schon lange perspektivlose junge Somalier bereit. Ein wirtschaftlicher Aufschwung Kenias, der nur die Schere zwischen Arm und Reich vergrößert, hilft nicht gegen Perspektivlosigkeit, die sich in Terror entlädt.
Mittwoch, 4. September 2013
Véro La Reine, Bikutsi, Chinesische Investoren, Umweltchampion
Véro La Reine: Botschafterin für Bikutsi Musik aus Kamerun
Chinesische Investoren und ihre Kaufmacht in den Ländern Afrikas
Chinesische Investoren und ihre Kaufmacht in den Ländern Afrikas
Severin Sea Lodge in Kenia gewinnt den Umweltchampion-Award
Labels:
Bikutsi,
Kamerun,
Kenia,
Umwelt,
Véro La Reine
Donnerstag, 22. August 2013
In den Armenvierteln von Jaunde
Auf dem Weg zu einer Buchbesprechung von "Mambés Heimat" II
"Tapioka war ein Lebensmittel, das zwar billig und sättigend, aber ohne großen Nährwert war. Ein typisches Essen für die arme Bevölkerung." (S.133)
Da ihm der Aufenthalt im Hotel auf Dauer zu teuer kommt, geht Mambé gezielt auf Wohnungssuche.
Mit Maklern hat er bald übergenug schlechte Erfahrungen gemacht. Stets hat er die Gebühr im Voraus bezahlen müssen und dann nie etwas Brauchbares angeboten bekommen. So sucht er jetzt auf eigene Faust in den Vierteln, wo er hoffen darf, etwas Preisgünstiges zu finden.
Während bis dahin die allgemeinen Informationen über das gesellschaftliche Leben überwogen, wird er jetzt genauer mit den persönlichen Problemen der Armen bekannt.
"Tapioka war ein Lebensmittel, das zwar billig und sättigend, aber ohne großen Nährwert war. Ein typisches Essen für die arme Bevölkerung." (S.133)
Da ihm der Aufenthalt im Hotel auf Dauer zu teuer kommt, geht Mambé gezielt auf Wohnungssuche.
Mit Maklern hat er bald übergenug schlechte Erfahrungen gemacht. Stets hat er die Gebühr im Voraus bezahlen müssen und dann nie etwas Brauchbares angeboten bekommen. So sucht er jetzt auf eigene Faust in den Vierteln, wo er hoffen darf, etwas Preisgünstiges zu finden.
Während bis dahin die allgemeinen Informationen über das gesellschaftliche Leben überwogen, wird er jetzt genauer mit den persönlichen Problemen der Armen bekannt.
"Wenn man sich in den Armenvierteln Yaoundés befand, brauchte man nicht lange zu warten, um das, was man dort "kostenloses Theater" nannte, zu sehen. Die Szenen des Dramas spielten sich auf der Straße ab und überboten sich gegenseitig an Sensation und Tragik. In dem vornehmen Vierteln dagegen waren solche Geschehnisse eher selten. Ihre Einwohner befanden sich hinter den hohen Mauern, die ihre Villen umgaben, oder in ihren Privatfahrzeugen, deren Fenster meistens aus Rauchglas waren. Die wenigen Probleme, die sie hatten, ließen sie die Passanten nicht mitbekommen. Die Armen hingegen hatten zu viele Probleme und scheuten sich nicht, sie vor aller Augen zu besprechen. Man wanderte durch die Straßen und sah und hörte eine skandalöse Geschichte um die andere." (S.114f.)
Labels:
Hilaire Mbakop,
Jaoundé,
Jaunde,
Mambés Heimat,
Mbakop
Dienstag, 20. August 2013
Ein Streifzug durch den Alltag Kameruns
Auf dem Weg zu einer Buchbesprechung von "Mambés Heimat" von Hilaire Mbakop
Mambé geht durch Jaunde und beobachtet einige Straßenszenen. Dabei gewinnt er Eindrücke über Kaufhäuser, Konditoreien, Telefonzellen, die per Handy organisiert werden, über die Promiskuität, über Bäckereien, Taxis und - bei seiner Wohnungssuche - über den Wohnungsmarkt in Jaunde.
Er erlebt auch kleine Szenen, in denen handelnde Personen Urteile über das Leben in Kamerun abgeben. Etwa wenn ein "Verrückter" den vor den Bankschaltern Wartenden eine wirtschafts- und staatskritische Rede mit philosophischen Einsprengseln hält, oder wenn ein älterer Mann den jetzigen Staatspräsidenten kritisiert und wehmütig an die Zeit des vorigen Staatspräsidenten erinnert.
Daneben gibt es aber auch manche Passagen bei denen Mambés Perspektive ganz verlassen wird, so etwa bei der Kritik am kamerunischen Fernsehen und an der Presse:
Zunächst wird noch aus Mambés Perspektive erzählt: "Beim Essen schaute sich Mambé eine Kabelfernsehsendungen an. Ein französischer Kanal zeigte einen Tierfilm. [...] "
Doch dann geht die Darstellung fließend von erlebter Rede in einen allgemeinen Erzählerbericht über, der den Eindruck erweckt, als sollte der landesunkundige Leser in die kamerunischen Verhältnisse eingeführt werden:
"Das kamerunische Fernsehen wäre nicht in der Lage gewesen, eine solche Sendung zu produzieren. Dazu müssten die Journalisten über eine gute technische Ausrüstung verfügen. In der Schule, in der kamerunischen Journalisten ausgebildet wurden, fand man nur veraltete Geräte. Die meisten davon waren nicht funktionstüchtig. Schlimmer als die schlechte Ausrüstung dieser Schule war die Tatsache, dass sie die Kritikfähigkeit der Menschen unterdrückte. Sie brachte linientreue Journalisten hervor. Das war ihr ihre einzige Aufgabe. [...]
Der Staat hatte auch seine eigene Presse. Sie war ebenfalls linientreu. Wenn der Präsident sich ins Ausland begab, erzählte er gern dort, dass die kamerunischen Medienlandschaft vielfältig sei. Das stimmte ja auch. Aber wenn er hinzufügte, dass diese Medienvielfalt mit der Pressefreiheit einherging, war es falsch. Denn die privaten Medien unterlagen der Zensur. Ein Journalist, der sich kritisch über die Regierung äußerte, wurde ohne Gerichtsurteil ins Gefängnis geworfen oder gar liquidiert. Gleichzeitig wurde seine Wohnung durchsucht. Es war verboten, sich über den Gesundheitszustand des Staatschefs zu äußern. Der Herausgeber einer Privatzeitung wurde inhaftiert, weil er einmal gesagt hatte, dass der Präsident krank sei. Tatsächlich war dieser krank. Er war nämlich nach Europa gereist, um sich behandeln zu lassen." (S.58/59)
Der Eindruck verstärkt sich, wenn anlässlich eines Restaurantbesuchs Mambés ausführlich erläutert wird, wie das von ihm bestellte Essen zubereitet wird und wie es nicht zubereitet werden darf.
"Mambé bestellte Mais-Couscous mit "Ndolè". Ein afrikanisches Gericht.
"Ndolè" waren grüne Blätter einer Pflanze. Man musste die Blätter stundenlang waschen, damit sie ihren bitteren Geschmack verloren. Man konnte die Waschzeit verkürzen, indem man die Blätter zuerst in einem Wassertopf tat, Steinsalz hinzugab und das Ganze zum Sieden brachte. Nachdem man sie gewaschen hatte, setzte man einen Topf aufs Feuer. Dann tat man Wasser hinein, danach die Blätter und gemahlene Erdnüsse und schließlich Salz und Öl. Es gab auch Leute, die zuerst Öl in den Topf hineingossen und noch warteten, bis es rauchte, bevor sie irgendetwas hineintaten. Dadurch wurden die Nährstoffe und das Aroma des Öls zerstört, was der Grund dafür war, dass diese Leute ihre Speisen so stark würzen mussten." (S.58)
Als Leser schwanke ich zwischen Assoziationen zum Auftreten von Nietzsches tollem Menschen ("Verrückter") und zu Stifters betont banalen Detailberichten in Witiko und Nachsommer ("Dann tat man Wasser hinein ...") und dem Wunsch, es würde mehr erzählt und weniger belehrt.
Doch dann wird Mambé allmählich stärker in das Geschehen hineingezogen. - Dazu später mehr.
Mambé geht durch Jaunde und beobachtet einige Straßenszenen. Dabei gewinnt er Eindrücke über Kaufhäuser, Konditoreien, Telefonzellen, die per Handy organisiert werden, über die Promiskuität, über Bäckereien, Taxis und - bei seiner Wohnungssuche - über den Wohnungsmarkt in Jaunde.
Er erlebt auch kleine Szenen, in denen handelnde Personen Urteile über das Leben in Kamerun abgeben. Etwa wenn ein "Verrückter" den vor den Bankschaltern Wartenden eine wirtschafts- und staatskritische Rede mit philosophischen Einsprengseln hält, oder wenn ein älterer Mann den jetzigen Staatspräsidenten kritisiert und wehmütig an die Zeit des vorigen Staatspräsidenten erinnert.
Daneben gibt es aber auch manche Passagen bei denen Mambés Perspektive ganz verlassen wird, so etwa bei der Kritik am kamerunischen Fernsehen und an der Presse:
Zunächst wird noch aus Mambés Perspektive erzählt: "Beim Essen schaute sich Mambé eine Kabelfernsehsendungen an. Ein französischer Kanal zeigte einen Tierfilm. [...] "
Doch dann geht die Darstellung fließend von erlebter Rede in einen allgemeinen Erzählerbericht über, der den Eindruck erweckt, als sollte der landesunkundige Leser in die kamerunischen Verhältnisse eingeführt werden:
"Das kamerunische Fernsehen wäre nicht in der Lage gewesen, eine solche Sendung zu produzieren. Dazu müssten die Journalisten über eine gute technische Ausrüstung verfügen. In der Schule, in der kamerunischen Journalisten ausgebildet wurden, fand man nur veraltete Geräte. Die meisten davon waren nicht funktionstüchtig. Schlimmer als die schlechte Ausrüstung dieser Schule war die Tatsache, dass sie die Kritikfähigkeit der Menschen unterdrückte. Sie brachte linientreue Journalisten hervor. Das war ihr ihre einzige Aufgabe. [...]
Der Staat hatte auch seine eigene Presse. Sie war ebenfalls linientreu. Wenn der Präsident sich ins Ausland begab, erzählte er gern dort, dass die kamerunischen Medienlandschaft vielfältig sei. Das stimmte ja auch. Aber wenn er hinzufügte, dass diese Medienvielfalt mit der Pressefreiheit einherging, war es falsch. Denn die privaten Medien unterlagen der Zensur. Ein Journalist, der sich kritisch über die Regierung äußerte, wurde ohne Gerichtsurteil ins Gefängnis geworfen oder gar liquidiert. Gleichzeitig wurde seine Wohnung durchsucht. Es war verboten, sich über den Gesundheitszustand des Staatschefs zu äußern. Der Herausgeber einer Privatzeitung wurde inhaftiert, weil er einmal gesagt hatte, dass der Präsident krank sei. Tatsächlich war dieser krank. Er war nämlich nach Europa gereist, um sich behandeln zu lassen." (S.58/59)
Der Eindruck verstärkt sich, wenn anlässlich eines Restaurantbesuchs Mambés ausführlich erläutert wird, wie das von ihm bestellte Essen zubereitet wird und wie es nicht zubereitet werden darf.
"Mambé bestellte Mais-Couscous mit "Ndolè". Ein afrikanisches Gericht.
"Ndolè" waren grüne Blätter einer Pflanze. Man musste die Blätter stundenlang waschen, damit sie ihren bitteren Geschmack verloren. Man konnte die Waschzeit verkürzen, indem man die Blätter zuerst in einem Wassertopf tat, Steinsalz hinzugab und das Ganze zum Sieden brachte. Nachdem man sie gewaschen hatte, setzte man einen Topf aufs Feuer. Dann tat man Wasser hinein, danach die Blätter und gemahlene Erdnüsse und schließlich Salz und Öl. Es gab auch Leute, die zuerst Öl in den Topf hineingossen und noch warteten, bis es rauchte, bevor sie irgendetwas hineintaten. Dadurch wurden die Nährstoffe und das Aroma des Öls zerstört, was der Grund dafür war, dass diese Leute ihre Speisen so stark würzen mussten." (S.58)
Als Leser schwanke ich zwischen Assoziationen zum Auftreten von Nietzsches tollem Menschen ("Verrückter") und zu Stifters betont banalen Detailberichten in Witiko und Nachsommer ("Dann tat man Wasser hinein ...") und dem Wunsch, es würde mehr erzählt und weniger belehrt.
Doch dann wird Mambé allmählich stärker in das Geschehen hineingezogen. - Dazu später mehr.
Walter Böhme
Labels:
Hilaire Mbakop,
Jaunde,
Kamerun,
Mambés Heimat,
Mbakop
Samstag, 17. August 2013
Ein erster Blick auf Mambés Heimat
Mambé kehrt zurück. Er löst damit Befremden aus. Der Taxifahrer rechnet nicht damit, dass er auf Dauer bleibt. Und sehr fremd tritt auch seine Heimat Mambé entgegen.
Immer wieder wird Mambé erklärt, weshalb seine Heimat anders ist, als er es erwartet. Sie ist ihm nicht das, was von der Kindheit heraufscheint, wie Ernst Bloch einmal Heimat gesehen hat. Sie ist verstörend.Textbeispiele:
"So sind die Fahrer der Reisebüros," sagte Sobi und fügte hinzu: "Sie rasen und überholen immer auf dieser Straße, obwohl sie wissen, dass sie nicht breit ist. Wissen Sie, die haben keinen festen Lohn, sondern werden nach der Zahl der Hin- und Rückfahrten, die sie machen, bezahlt. Die Draufgänger fahren so unvernünftig, um die normale Fahrtdauer zu unterschreiten, und so spielen sie mit unserem Leben. Es kommt oft vor, dass sie am Steuer dösen, weil sie überanstrengt sind. [...] " (S.11)
Nicht umsonst ist unser Land schon zweimal das korrupteste Land der Welt gewesen. [...] Die enttäuschten klugen Köpfe wandern aus! [...] Eines ist sicher: Es gibt keine Bestochenen ohne Bestechende und umgekehrt. Das bedeutet, dass jeder Einzelne sich weigern muss, zu bestechen oder bestochen zu werden. (S.21/22)
Vor ihnen stand ein Haus in Flammen. Fünf Personen waren damit beschäftigt, Wasser aus einem Ziehbrunnen zu schöpfen und es in die aus dem Haus schlagenden Flammen zu schütten. Doch ihre Aktion war wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Einige Kinder weinten. Die schaulustige Menge schrie weiter. Die Brandstifterin war eine Frau von 30 Jahren. Nach ihrer Aktion hatte sie sich aus dem Staub gemacht. Ihr Ex-Freund war unter denjenigen, die das Feuer verzweifelt zu löschen versuchten. Sie hatte das Haus, in dem er wohnte, in Brand gesteckt, weil er sie angelogen hatte. Als sie mit ihm zusammen gewesen war, hatte er ihr häufig gesagt, dass er nur sie liebe und nur sie heiraten würde. Dann hatte er sein Wort gebrochen und eine andere geheiratet. (S.116)Hilaire Mbakop: Mambés Heimat, 2007
Walter Böhme
Labels:
Hilaire Mbakop,
Kamerun,
Mambés Heimat,
Mbakop
Sonntag, 7. Juli 2013
Mit dem Mobiltelefon kostenlos in die Wikipedia?
"In Tunesien, Mali, Uganda und Elfenbeinküste browsen Handynutzer kostenlos durch das Lexikon", berichtet die Frankfurter Rundschau unter der Überschrift "Ein Gratiszugang zum Wikipedia-Lexikon. Südafrikanische Schüler stoßen Projekt an" am 6. 7. 2013 auf Seite 35.
„Wikipedia Zero“ gibt es bereits in 20 Staaten Afrikas und des Mittleren Ostens. Jetzt fordern Schüler aus Joe-Slovo-Park einem Vorort von Kapstadt in einem offenen Brief an Südafrikas Mobilfunkanbieter, sie sollten auch ihnen „Wikipedia Zero“ bieten, sonst bleiben ihnen als einzige Informationsmöglichkeit die Schulbücher, denn an Computer sei fast nicht heranzukommen.
„Wikipedia Zero“ gibt es bereits in 20 Staaten Afrikas und des Mittleren Ostens. Jetzt fordern Schüler aus Joe-Slovo-Park einem Vorort von Kapstadt in einem offenen Brief an Südafrikas Mobilfunkanbieter, sie sollten auch ihnen „Wikipedia Zero“ bieten, sonst bleiben ihnen als einzige Informationsmöglichkeit die Schulbücher, denn an Computer sei fast nicht heranzukommen.
Bisher gab es noch keine Reaktion.
Labels:
Computer,
Elfenbeinküste,
Kapstadt,
Mobiltelefon,
Schüler,
Südafrika,
Wikipedia
Mittwoch, 5. Juni 2013
Patrice Nganang als Zeuge der Geschichte Kameruns in Bensheim (Hessen, Deutschland)
"Die Vergänglichkeit der Gegenwart darzustellen", das ist nach eigenem Bekunden ein Anliegen des kamerunischen Schriftstellers und Literaturwissenschaftlers Patrice Nganang - auch und gerade im Hinblick auf die vielfältigen Konflikte, die das westliche Afrika aktuell prägen. Auf Einladung von Nord-Süd-Forum, Karl-Kübel-Stiftung und Stadtbibliothek Bensheim las Nganang am Montag aus seinem im vergangenen Jahr erschienenen Roman "Der Schatten des Sultans".
Patrice Nganang wurde 1970 in Yaoundé, Kamerun, geboren. Dort begann er sein Studium, das er 1994 als DAAD-Stipendiat an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main mit einer Promotion abschloss. Danach ging er mit einem Postdoktoranden-Stipendium an die Freie Universität Berlin. Seit dem Jahr 2000 lebt Nganang in den USA, wo er seit 2007 an der Stony Brook University im Bundesstaat New York lehrt. Der Schriftsteller hat mehrere Bücher veröffentlicht, 2003 erhielt er den "Grand prix littéraire d'Afrique noire" für seinen 1999 erschienenen Roman "Hundezeit", der auch mit dem "Prix Littéraire MargueriteYourcenar" ausgezeichnet wurde.
Patrice Nganang wurde 1970 in Yaoundé, Kamerun, geboren. Dort begann er sein Studium, das er 1994 als DAAD-Stipendiat an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main mit einer Promotion abschloss. Danach ging er mit einem Postdoktoranden-Stipendium an die Freie Universität Berlin. Seit dem Jahr 2000 lebt Nganang in den USA, wo er seit 2007 an der Stony Brook University im Bundesstaat New York lehrt. Der Schriftsteller hat mehrere Bücher veröffentlicht, 2003 erhielt er den "Grand prix littéraire d'Afrique noire" für seinen 1999 erschienenen Roman "Hundezeit", der auch mit dem "Prix Littéraire MargueriteYourcenar" ausgezeichnet wurde.
Acht Jahre Arbeit
Acht Jahre hat Nganang an "Schatten des Sultans" gearbeitet und dabei in Archiven und Bibliotheken in Deutschland, den USA und Frankreich recherchiert, ebenso aber seine Informationen im heutigen Kamerun selbst gefunden.
Sein historischer Roman über das koloniale Kamerun schildert in der Rahmenhandlung die Geschichte einer jungen amerikanischen Historikerin kamerunischer Abstammung, die in der Hauptstadt Yaoundé auf die 80-jährige Sara trifft. Diese war als Neunjährige dem Sultan Njoya als Frau zum Geschenk gemacht worden, konnte sich aber verkleidet als vermeintlicher Sohn einer Sklavin noch für einige Jahre ihrem Los entziehen, bis sie doch zu einer der vielen Frauen im Harem des Sultans wurde.
Der jungen Historikerin erzählt Sara im Rückblick die Geschichten, die sie im Laufe ihres langen Lebens am Hof erlebt hat. Nicht immer schenkt die Wissenschaftlerin den Erzählungen der alten Frau Glauben, und so geht das Buch auch der grundsätzlichen Frage nach, welchen Wert die mündliche Überlieferung durch Zeitzeugen im Verhältnis zu den in Archivmaterial enthaltenen Informationen hat.
Komplexe Konstruktion
So komplex ineinander verwoben wie die koloniale Geschichte Kameruns (zunächst deutsche Kolonie, dann Aufteilung in Britisch-Kamerun und Französisch-Kamerun) ist die Konstruktion des Romans, der rund hundert Jahre zurückblickt und auch eine Referenz an die historische Figur des Sultans Njoya ist. Dieser entwickelte unter anderem ein eigenes Alphabet und eine eigene, nationale Religion und wird bis heute von den Bamun sehr verehrt.
Njoya bemühte sich um ein gutes Verhältnis zum Deutschen Kaiserreich und war preußischen kulturellen Einflüssen gegenüber sehr aufgeschlossen. Im Roman arbeitet der Vater der kleinen Sara als Lektor in Berlin - auch er eine historische Figur. Er liest Rilke und die Buddenbrooks. "Darf ich um ein Bier ersuchen?", mit dieser Frage transportiert er im Jahr 1913 deutsche Bildungsbürgerlichkeit in eine proletarische Berliner Kneipe - zur entzückten Belustigung der Anwesenden, die ihm nun ein Bier nach dem anderen spendieren.
Ein Kapitel des Romans las Patrice Nganang selbst in französischer Sprache und gab den Zuhörern damit einen Eindruck von der rhythmischen Musikalität der Originalfassung des Romans. Die Veranstaltung stieß auf großes Publikumsinteresse und wurde von Dr. Almut Seiler-Dietrich moderiert. Die Literaturwissenschaftlerin mit Schwerpunkt afrikanische Literatur arbeitete bis 2008 als Gymnasiallehrerin für Französisch, Russisch und Spanisch - zuletzt am AKG in Bensheim. Ihr Ehemann Hans-Jürgen Dietrich las Textpassagen aus der deutschen Buchausgabe. eba
© Bergsträßer Anzeiger, Mittwoch, 05.06.2013
Labels:
Der Schatten des Sultans,
Kamerun,
Njoya,
Patrice Nganang
Mittwoch, 15. Mai 2013
Wieder einmal ein wenig Statistik zum Blog und ein paar Nachrichten
Die beliebtesten Artikel:
Es gibt noch viele Mauern abzubauen 877 Aufrufe
"Der Mann, der die Wüste aufhielt" 851 Aufrufe
Du bist mein Bruder, Du bist meine Schwester 595 Aufrufe
Bauten aus der NS-Zeit – Wie damit heute umgehen? 498 Aufrufe
Online–Plattform für Deutschlehrer und Germanistikstudenten 207 Aufrufe
Insgesamt 14 315 Aufrufe
Die Kämpfe in Mali sind noch nicht beendet: Doch auch wenn Frieden herrschen sollte, benötigt Mali dringend Geld: Vor der Geberkonferenz in Brüssel hat die EU 520 Millionen Euro zugesichert - insgesamt sollen es zwei Milliarden Euro werden. (tagesschau.de)
Es gibt noch viele Mauern abzubauen 877 Aufrufe
"Der Mann, der die Wüste aufhielt" 851 Aufrufe
Du bist mein Bruder, Du bist meine Schwester 595 Aufrufe
Bauten aus der NS-Zeit – Wie damit heute umgehen? 498 Aufrufe
Online–Plattform für Deutschlehrer und Germanistikstudenten 207 Aufrufe
Insgesamt 14 315 Aufrufe
Die Kämpfe in Mali sind noch nicht beendet: Doch auch wenn Frieden herrschen sollte, benötigt Mali dringend Geld: Vor der Geberkonferenz in Brüssel hat die EU 520 Millionen Euro zugesichert - insgesamt sollen es zwei Milliarden Euro werden. (tagesschau.de)
In der tunesischen Region Kasserine halten sich seit Wochen islamistische Gruppen, die "Al-Kaida im Maghreb" nahestehen, verschanzt
Die Kämpfer kommen aus Mali, die Waffen stammen aus dem Libyen-Krieg. (Der Standard)
Mehr zur weiteren Entwicklung und der Rettung der Manuskripte von Timbuktu hier.
Mehr zur weiteren Entwicklung und der Rettung der Manuskripte von Timbuktu hier.
Dienstag, 16. April 2013
Die Macht der Gewaltlosigkeit
Am 3. Januar dieses Jahres habe ich das Buch schon einmal vorgestellt. Die Links, die ich damals angeboten habe, brauche ich im Prinzip nicht zu wiederholen außer diesem, da sich dort manche Bilder und Videos finden.
Inzwischen habe ich mehr in dem Buch gelesen und auch einige weitere Texte im Zusammenhang damit gelesen, aus denen ich zitiere und auf die ich verlinke. Insgesamt ist der jetzige Artikel also textbetonteroer als der vom Januar.
In "Wir sind die Macht" (Mighty be our Powers) berichtet Leymah Gbowee davon, wie im Liberianischen Bürgerkrieg ihr Land in Chaos versank. Regierungssoldaten wie Rebellen mordeten hemmungslos.
Leymahs Mutter musste erleben, dass ein Hungernder ermordet wurde, weil sie ihm etwas Reis gegeben hatte. Es ging nämlich das Gerücht um, dass die Rebellen Reis verteilten, um die Bevölkerung für sich zu gewinnen."'Ich habe jemanden umgebracht!', sagte sie wieder und wieder." (S.44) Sie sieht sich schuldig, weil sie geholfen hat.
Leymah Gbowee schreibt dann davon, wie sie eine Friedensbewegung der Frauen (WLMAP) in Bewegung setzte ("Organized by social worker Leymah Gbowee, the movement started with thousands of local women praying and singing in a fish market daily for months." - Wikipedia über die WLMAP).
Diese Bewegung stürzte - unter anderem mit einem Sex-Streik der Frauen wie in Lysistrata - gewaltlos 2003 den erfolgreichen Bürgerkriegssieger Charles Taylor (genauer hier) und half Ellen Sirleaf die Wahl zur Präsidentin zu gewinnen.
Im Film Pray the Devil Back to Hell (2008) wird ihr Kampf geschildert (sieh: Trailer).
Über die Wirkung des Films, der u.a. mit Originalaufnahmen der Überwachungskameras des Präsidenten arbeitete, schreibt Gbowee:
"Als das erste Mal der mir einst so vertraute Anblick der Frauen in Weiß mit ihren Transparenten ins Bild kam, stiegen mir die Tränen in die Augen. [...] Wir hatten alle derart viel Schweres durchgemacht, und dennoch strahlten wir - vor allem die Frauen vom Land - eine unglaubliche Entschlossenheit aus. Der Hunger der gewöhnlichen Menschen nach Frieden war immens gewesen." (S.286)
Ellen Johnson Sirleaf und Leymah Gbowee erhielten für ihren Kampf 2011 den Friedensnobelpreis.
Inzwischen habe ich mehr in dem Buch gelesen und auch einige weitere Texte im Zusammenhang damit gelesen, aus denen ich zitiere und auf die ich verlinke. Insgesamt ist der jetzige Artikel also textbetonteroer als der vom Januar.
In "Wir sind die Macht" (Mighty be our Powers) berichtet Leymah Gbowee davon, wie im Liberianischen Bürgerkrieg ihr Land in Chaos versank. Regierungssoldaten wie Rebellen mordeten hemmungslos.
Leymahs Mutter musste erleben, dass ein Hungernder ermordet wurde, weil sie ihm etwas Reis gegeben hatte. Es ging nämlich das Gerücht um, dass die Rebellen Reis verteilten, um die Bevölkerung für sich zu gewinnen."'Ich habe jemanden umgebracht!', sagte sie wieder und wieder." (S.44) Sie sieht sich schuldig, weil sie geholfen hat.
Leymah Gbowee schreibt dann davon, wie sie eine Friedensbewegung der Frauen (WLMAP) in Bewegung setzte ("Organized by social worker Leymah Gbowee, the movement started with thousands of local women praying and singing in a fish market daily for months." - Wikipedia über die WLMAP).
Diese Bewegung stürzte - unter anderem mit einem Sex-Streik der Frauen wie in Lysistrata - gewaltlos 2003 den erfolgreichen Bürgerkriegssieger Charles Taylor (genauer hier) und half Ellen Sirleaf die Wahl zur Präsidentin zu gewinnen.
Im Film Pray the Devil Back to Hell (2008) wird ihr Kampf geschildert (sieh: Trailer).
Über die Wirkung des Films, der u.a. mit Originalaufnahmen der Überwachungskameras des Präsidenten arbeitete, schreibt Gbowee:
"Als das erste Mal der mir einst so vertraute Anblick der Frauen in Weiß mit ihren Transparenten ins Bild kam, stiegen mir die Tränen in die Augen. [...] Wir hatten alle derart viel Schweres durchgemacht, und dennoch strahlten wir - vor allem die Frauen vom Land - eine unglaubliche Entschlossenheit aus. Der Hunger der gewöhnlichen Menschen nach Frieden war immens gewesen." (S.286)
Ellen Johnson Sirleaf und Leymah Gbowee erhielten für ihren Kampf 2011 den Friedensnobelpreis.
Labels:
Bürgerkrieg,
Frauen,
Friedensnobelpreis,
Gewalt,
Gewaltlosigkeit,
Leymah Gbowee,
Liberia
Montag, 25. März 2013
Anregungen zum Unterricht in Deutsch als Fremdsprache
- Moodle-Kurse - Deutsch als Fremdsprache
- Kreuzworträtsel - Deutsch online
- Ein Rundgang durch das DSD-Wiki - DSD-Wiki (Lernen für das deutsche Sprachdiplom)
- Weitere Links zu Deutsch als Fremdsprache
Labels:
Deutsch als Fremdsprache,
Lernen,
Sprachenlernen
Sonntag, 17. Februar 2013
Patrice Nganang: Ein Sultanshof in Kamerun
Der kamerunische Schriftsteller Patrice Nganang schildert in seinem jüngsten, auf historischen Fakten beruhenden Roman einen Herrscher, der zugleich Denker, Mäzen und Diktator war.
Afrikanische Geschichte lebt nicht in Schlössern und Kathedralen, sondern in Erzählungen, die von Generation zu Generation weitergereicht werden. Dafür ist in Westafrika der Griot zuständig, der die Geheimnisse der Herrscher kennt, die Verwicklungen von Genealogien durchschaut und das Alltagsleben begleitet. Mündliche Überlieferung kann dort haltbarer sein als zu Papier gebrachte Dokumente, die es natürlich auch gibt – etwa die Bibliothek von Timbuktu, die gerade der Zerstörungswut der Islamisten ausgeliefert ist, und die des Sultans Njoya von Bamum in Westkamerun, die derzeit von Kakerlaken aufgefressen wird, wie Patrice Nganang berichtet, der als moderner Griot mündliches Erzählen in Romanform giesst. Mäzen und Historiker Sultan Njoya war von der Überlegenheit der Schrift überzeugt. Er entwickelte ein Alphabet und verfasste ein Werk über sein Reich: das 1921 vollendete «Saa'ngam». Während seiner Herrschaft von 1894 bis 1933 war er mit drei Kolonialmächten konfrontiert, deren erste, die deutsche, ihm am meisten imponierte. 1908 schenkte er Kaiser Wilhelm II. seinen Thron, ein Kunstwerk, das heute noch im Ethnologischen Museum in Berlin zu sehen ist. Mit den Briten und Franzosen kam er weniger gut aus: Letztere verbannten ihn 1931 aus seiner Heimat. Bis zu seinem Tod 1933 lebte er in Yaoundé in einer fürstlichen Residenz namens Mont Plaisant – so auch der Originaltitel des Romans. Sein Gastgeber dort ist Charles Atangana, der ihm die Tochter seines Schwagers zum Geschenk macht. Sie, die damals neunjährige Sara, wird zum stummen «Schatten des Sultans». Sie findet ihre Sprache erst wieder, als die richtige Zuhörerin auftaucht. Das ist Bertha, die Ich-Erzählerin des Romans, die nach Yaoundé gereist ist, wo sie Material für eine wissenschaftliche Arbeit über die Wurzeln des kamerunischen Nationalismus sucht. In Nsimeyong, einem Vorort von Yaoundé, will sie sich den Palast ansehen, aber wo einst Mont Plaisant stand, findet sie nur noch zwei Ziegelsteine vor. «Ich weiss, was Sie suchen», sagt ein junger Mann. Plumpe Anmache, um Kontakt zu einer in den USA lebenden Frau zu bekommen? Zuerst scheint es so, aber dann führt Aruna die skeptische Bertha zu einer alten Frau – Sara, die jetzt bereit ist, ihre Geschichte zu erzählen. In Saras Erinnerung ersteht die höfische Welt des Sultans wieder: seine unzähligen Frauen, seine Tochter, die politischen Gefährten – vor allem Charles Atangana –, die Bediensteten und die Künstler, die er in seinen Werkstätten ansiedelte und für seinen Palast arbeiten liess. Natürlich herrschen in Mont Plaisant, wie schon im Palast von Fumban, diktatorische Verhältnisse, Aufmüpfige werden mit der Peitsche zur Räson gebracht, Intrigen enden oft tödlich. – Sara berichtet nicht gradlinig: Ihre Erinnerung mäandert durch Zeit und Raum, Verdoppelungen komplizieren die Geschichte. Bertha ist auch der Name der Sklavin, die sich damals um die kleine Sara kümmerte. Sie verkleidete das Mädchen als Knaben und nannte sie Nebu wie ihren Sohn, der Bildhauer in Mont Plaisant war und sich mit einer nach dem Bild seiner Geliebten geschaffenen Statue in den Tod stürzte. Sein Schicksal nimmt einen breiten Raum in dem Roman ein wie auch die Geschichte von Saras Vater Joseph Ngono, der allerlei Unangenehmes in Berlin erlebt. So spielt auch ein Teil der Erzählung in Deutschland. Geschichtlich greift der Roman bis in die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zurück, als Njoya noch in Bamum residierte, als Kamerun noch gar nicht existierte und die Stadt Cameroon City das heutige Douala bezeichnete. Historische Einzelheiten stammen aus den Bergen von Akten, die von Kolonialoffizieren, Ethnografen und Missionaren angefertigt wurden; sie ergänzen die mündliche Überlieferung, der die aus den USA angereiste Wissenschafterin Bertha zunächst nichts abgewinnen kann: «Schluss mit den Archiven des Geschwätzes!», fordert sie und erliegt dann doch dem Zauber von Saras Erzählung und dem Charme der alten Frau, die es versteht, ihre Zuhörerin durch kleine Gesten an sich zu binden, etwa durch gegenseitiges Flechten der Haare. Aruna und seine Freunde sorgen dafür, dass Bertha auch das heutige Kamerun der jungen Menschen versteht.
Extensive Recherche
Patrice Nganang, 1970 in Yaoundé geboren, machte seinen Masters-Abschluss an der Universität Yaoundé und kam 1994 mit einem Stipendium des DAAD nach Frankfurt am Main, wo er mit einer Arbeit über den nigerianischen Nobelpreisträger Wole Soyinka und Bertolt Brecht promovierte. Heute lehrt er an der Stony Brook University in New York Literatur- und Kulturwissenschaften. Er schreibt Essays, Literaturkritiken, Gedichte und Romane. «Hundezeiten» (Peter-Hammer-Verlag, 2003) wurde mit dem Grand Prix Littéraire de l'Afrique noire ausgezeichnet. Für seinen neuen Roman hat Nganang acht Jahre lang in Archiven auf drei Kontinenten geforscht und Menschen in seiner Heimat befragt. Das Resultat ist ein spannendes Buch, aber auch ein Plädoyer für eine neue Art von Geschichtsschreibung. Der Zeitschrift «Jeune Afrique» sagte der Autor: «Geschichte ist zuallererst das von Menschen Erlebte. Die offizielle Kameruner Geschichte beginnt mit dem Unabhängigkeitskampf in den 1950er Jahren. Das Land leidet unter einer historischen Stagnation, dagegen schreibe ich an. Natürlich beginnt die intellektuelle Geschichte sehr viel früher. Njoya hätte mein Grossvater sein können, ein Teil meiner heutigen Intelligenz kommt von ihm, deshalb diese Würdigung.» Sultan Njoya hätte sich über diese Würdigung gefreut, der man viele Leser – gerade auch in Kamerun – wünscht.
Patrice Nganang: Der Schatten des Sultans. Aus dem Französischen von Gudrun und Otto Honke. Peter-Hammer-Verlag. 493 S., Fr. 36.90.
Die Rezension ist am 22.1.13. in der Neuen Zürcher Zeitung erschienen.
Afrikanische Geschichte lebt nicht in Schlössern und Kathedralen, sondern in Erzählungen, die von Generation zu Generation weitergereicht werden. Dafür ist in Westafrika der Griot zuständig, der die Geheimnisse der Herrscher kennt, die Verwicklungen von Genealogien durchschaut und das Alltagsleben begleitet. Mündliche Überlieferung kann dort haltbarer sein als zu Papier gebrachte Dokumente, die es natürlich auch gibt – etwa die Bibliothek von Timbuktu, die gerade der Zerstörungswut der Islamisten ausgeliefert ist, und die des Sultans Njoya von Bamum in Westkamerun, die derzeit von Kakerlaken aufgefressen wird, wie Patrice Nganang berichtet, der als moderner Griot mündliches Erzählen in Romanform giesst. Mäzen und Historiker Sultan Njoya war von der Überlegenheit der Schrift überzeugt. Er entwickelte ein Alphabet und verfasste ein Werk über sein Reich: das 1921 vollendete «Saa'ngam». Während seiner Herrschaft von 1894 bis 1933 war er mit drei Kolonialmächten konfrontiert, deren erste, die deutsche, ihm am meisten imponierte. 1908 schenkte er Kaiser Wilhelm II. seinen Thron, ein Kunstwerk, das heute noch im Ethnologischen Museum in Berlin zu sehen ist. Mit den Briten und Franzosen kam er weniger gut aus: Letztere verbannten ihn 1931 aus seiner Heimat. Bis zu seinem Tod 1933 lebte er in Yaoundé in einer fürstlichen Residenz namens Mont Plaisant – so auch der Originaltitel des Romans. Sein Gastgeber dort ist Charles Atangana, der ihm die Tochter seines Schwagers zum Geschenk macht. Sie, die damals neunjährige Sara, wird zum stummen «Schatten des Sultans». Sie findet ihre Sprache erst wieder, als die richtige Zuhörerin auftaucht. Das ist Bertha, die Ich-Erzählerin des Romans, die nach Yaoundé gereist ist, wo sie Material für eine wissenschaftliche Arbeit über die Wurzeln des kamerunischen Nationalismus sucht. In Nsimeyong, einem Vorort von Yaoundé, will sie sich den Palast ansehen, aber wo einst Mont Plaisant stand, findet sie nur noch zwei Ziegelsteine vor. «Ich weiss, was Sie suchen», sagt ein junger Mann. Plumpe Anmache, um Kontakt zu einer in den USA lebenden Frau zu bekommen? Zuerst scheint es so, aber dann führt Aruna die skeptische Bertha zu einer alten Frau – Sara, die jetzt bereit ist, ihre Geschichte zu erzählen. In Saras Erinnerung ersteht die höfische Welt des Sultans wieder: seine unzähligen Frauen, seine Tochter, die politischen Gefährten – vor allem Charles Atangana –, die Bediensteten und die Künstler, die er in seinen Werkstätten ansiedelte und für seinen Palast arbeiten liess. Natürlich herrschen in Mont Plaisant, wie schon im Palast von Fumban, diktatorische Verhältnisse, Aufmüpfige werden mit der Peitsche zur Räson gebracht, Intrigen enden oft tödlich. – Sara berichtet nicht gradlinig: Ihre Erinnerung mäandert durch Zeit und Raum, Verdoppelungen komplizieren die Geschichte. Bertha ist auch der Name der Sklavin, die sich damals um die kleine Sara kümmerte. Sie verkleidete das Mädchen als Knaben und nannte sie Nebu wie ihren Sohn, der Bildhauer in Mont Plaisant war und sich mit einer nach dem Bild seiner Geliebten geschaffenen Statue in den Tod stürzte. Sein Schicksal nimmt einen breiten Raum in dem Roman ein wie auch die Geschichte von Saras Vater Joseph Ngono, der allerlei Unangenehmes in Berlin erlebt. So spielt auch ein Teil der Erzählung in Deutschland. Geschichtlich greift der Roman bis in die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zurück, als Njoya noch in Bamum residierte, als Kamerun noch gar nicht existierte und die Stadt Cameroon City das heutige Douala bezeichnete. Historische Einzelheiten stammen aus den Bergen von Akten, die von Kolonialoffizieren, Ethnografen und Missionaren angefertigt wurden; sie ergänzen die mündliche Überlieferung, der die aus den USA angereiste Wissenschafterin Bertha zunächst nichts abgewinnen kann: «Schluss mit den Archiven des Geschwätzes!», fordert sie und erliegt dann doch dem Zauber von Saras Erzählung und dem Charme der alten Frau, die es versteht, ihre Zuhörerin durch kleine Gesten an sich zu binden, etwa durch gegenseitiges Flechten der Haare. Aruna und seine Freunde sorgen dafür, dass Bertha auch das heutige Kamerun der jungen Menschen versteht.
Extensive Recherche
Patrice Nganang, 1970 in Yaoundé geboren, machte seinen Masters-Abschluss an der Universität Yaoundé und kam 1994 mit einem Stipendium des DAAD nach Frankfurt am Main, wo er mit einer Arbeit über den nigerianischen Nobelpreisträger Wole Soyinka und Bertolt Brecht promovierte. Heute lehrt er an der Stony Brook University in New York Literatur- und Kulturwissenschaften. Er schreibt Essays, Literaturkritiken, Gedichte und Romane. «Hundezeiten» (Peter-Hammer-Verlag, 2003) wurde mit dem Grand Prix Littéraire de l'Afrique noire ausgezeichnet. Für seinen neuen Roman hat Nganang acht Jahre lang in Archiven auf drei Kontinenten geforscht und Menschen in seiner Heimat befragt. Das Resultat ist ein spannendes Buch, aber auch ein Plädoyer für eine neue Art von Geschichtsschreibung. Der Zeitschrift «Jeune Afrique» sagte der Autor: «Geschichte ist zuallererst das von Menschen Erlebte. Die offizielle Kameruner Geschichte beginnt mit dem Unabhängigkeitskampf in den 1950er Jahren. Das Land leidet unter einer historischen Stagnation, dagegen schreibe ich an. Natürlich beginnt die intellektuelle Geschichte sehr viel früher. Njoya hätte mein Grossvater sein können, ein Teil meiner heutigen Intelligenz kommt von ihm, deshalb diese Würdigung.» Sultan Njoya hätte sich über diese Würdigung gefreut, der man viele Leser – gerade auch in Kamerun – wünscht.
Patrice Nganang: Der Schatten des Sultans. Aus dem Französischen von Gudrun und Otto Honke. Peter-Hammer-Verlag. 493 S., Fr. 36.90.
Die Rezension ist am 22.1.13. in der Neuen Zürcher Zeitung erschienen.
Almut Seiler-Dietrich
Mittwoch, 16. Januar 2013
Emmanuel Dongala: Gruppenfoto am Ufer des Flusses
Ja, das ist das Afrika, das wir kennen: Korruption, Elend, Aids, vergewaltigende Soldateska, als Hexen denunzierte Frauen; saufende und prügelnde Ehemänner, die ihre „Zweitbüro“ genannten Geliebten aushalten, welche ihrerseits mit gesundheitsschädlichen Bleichmitteln ihre Attraktivität zu erhöhen suchen; Lehrer, die Zeugnisnoten gegen sexuelle Dienste vergeben, tricksende Potentaten in Palästen und friedliche Frauen in Hütten und auf dem Feld, wo sie sich abschuften, um ihre Kinder durchzubringen. Emmanuel Dongala lässt in seinem sechsten Roman wirklich gar nichts aus.
Was nicht in die Handlung passt, taucht als Rundfunkmeldung auf oder wird der Protagonistin erzählt. Dabei lesen sich Méréanas Erlebnisse schon wie eine Studie über die moderne afrikanische Großstadt. Die dreißigjährige Mutter von zwei Kindern hat das Baby ihrer an Aids gestorbenen Schwester aufgenommen. Ihr Mann hat sie verlassen, weil sie auf Kondomen bestand. Natürlich gibt er ihr kein Geld, obwohl er in höheren Kreisen verkehrt und im feinsten Outfit und neuesten Automodell auftritt. Méréana arbeitet als Steineklopferin, um sich das Geld für die Ausbildung zur Informatikerin zu verdienen. Als kluge Frau, die ihre brillante Schulkarriere wegen einer Schwangerschaft abbrechen musste, und als politisch interessierte Nachrichtenhörerin versteht sie, dass der geplante Flughafenausbau die Schottersteine, die sie herstellt, wertvoller macht, und versucht, einen höheren Verkaufspreis auszuhandeln.
Die Kolleginnen ziehen mit, die Händler reagieren brutal, das ganze wird eine Staatsaffäre, die Méréana in Kontakt mit den Mächtigen bringt. Sie durchschaut die Taktik, mit der man sie kaufen will, und erkennt den Wert weiblicher Solidarität. Diese gipfelt in der grandiosen Totenfeier für die von der Polizei erschossene Batatu, um deren Zwillinge sich die Frauen kümmern. Batatus Schicksal ermöglicht es dem Erzähler, weitere Grausamkeiten auszubreiten und das Krankenhauswesen in schon fast satirischer Weise zu schildern.
Dies alles spielt in einer Stadt, deren Name Dongala nicht nennt, die aber leicht als seine Heimatstadt Brazzaville zu erkennen ist. Sie soll für alle afrikanischen Städte stehen, deren Bewohner sich mit kaputten Straßen, gierigen Polizisten, fehlender Elektrizität und überteuerten Handykarten herumschlagen. So kann sogar noch die Genitalverstümmelung thematisiert werden, die im Kongo nicht praktiziert wird.
Erstaunlicherweise aber ist diese Häufung von Elend weder abstoßend noch ermüdend. Der siebzigjährige Autor, der in den USA lebt, schreibt mit leichter Feder, trifft den Umgangston der Frauen und hat mit Méréana, der „Du“-Erzählerin, eine sympathische Frauengestalt erschaffen, wie sie in der afrikanischen Literatur Tradition haben. Man fühlt sich an den berühmten Roman „Gottes Holzstücke“ von Sembene Ousmane erinnert („Les bouts de bois de Dieu“), der 1960, im Jahr der afrikanischen Unabhängigkeiten erschien und die Rolle der Frauen im Eisenbahnerstreik an der Linie Dakar-Bamako von 1947 erzählt.
Emmanuel Dongala, dessen literarisches Werk schon mehrfach ausgezeichnet wurde, kann sich über einen weiteren Preis freuen. Für « Gruppenfoto am Ufer des Flusses“ bekam er den Virilo- Preis für die „feministische Beschreibung des heutigen Afrika, in dem Armut und Gewalt herrschen, das aber voller Hoffnung und Menschlichkeit ist“ - das Afrika eben, wie wir Europäer es kennen.
Almut Seiler-Dietrich
Bibliographische Angaben:
Emmanuel Dongala : Gruppenfoto am Ufer des Flusses. Aus dem Französischen von Giò Waeckerlin-Induni. Peter Hammer Verlag 2011. 339 Seiten. 22 Euro.
Zuvor gedruckt in: NZZ, 3.11.2011 unter dem Titel „Afrika, alles inklusive“.
Labels:
Dongala,
femiministisch,
Gruppenfoto
Dienstag, 15. Januar 2013
Zur Entwicklung in Mali
Links zu aktuellen Entwicklungen (über Twitter)
Wie kann es in Mali weitergehen? (Kommentar der Frankfurter Rundschau vom 15.1.13)
Hintergrund der Militäraktion in Mali (Spiegel online am 16.1.13 anhand von dpa-Material)
weiteres Material mit Karten
Die eigentliche Aufgabe - faznet (Frankfurter Allgemeine) 8.2.2013 ·
"Die malische Armee war nicht in der Lage, ein paar Hundertschaften aus dem Norden vorstürmender Tuareg, Islamisten und Dschihadisten zu bekämpfen. Stattdessen brechen, kaum ist die Gefahr von französischen Soldaten abgewehrt worden, in der Hauptstadt Bamako wieder Grabenkämpfe (das ist wörtlich zu nehmen) zwischen den militärischen Putschisten und anderen Soldaten aus, die dem vormaligen Regime gegenüber loyal geblieben sind.
Das zeigt, dass die Krise in dem westafrikanischen Land von den Tuareg-Rebellen oder Al Qaida im islamischen Maghreb (Aqim) nicht verursacht, sondern nur ausgebeutet wurde."
Wie kann es in Mali weitergehen? (Kommentar der Frankfurter Rundschau vom 15.1.13)
Hintergrund der Militäraktion in Mali (Spiegel online am 16.1.13 anhand von dpa-Material)
weiteres Material mit Karten
Die eigentliche Aufgabe - faznet (Frankfurter Allgemeine) 8.2.2013 ·
"Die malische Armee war nicht in der Lage, ein paar Hundertschaften aus dem Norden vorstürmender Tuareg, Islamisten und Dschihadisten zu bekämpfen. Stattdessen brechen, kaum ist die Gefahr von französischen Soldaten abgewehrt worden, in der Hauptstadt Bamako wieder Grabenkämpfe (das ist wörtlich zu nehmen) zwischen den militärischen Putschisten und anderen Soldaten aus, die dem vormaligen Regime gegenüber loyal geblieben sind.
Das zeigt, dass die Krise in dem westafrikanischen Land von den Tuareg-Rebellen oder Al Qaida im islamischen Maghreb (Aqim) nicht verursacht, sondern nur ausgebeutet wurde."
Dienstag, 8. Januar 2013
Hilaire Mbakop: Holzfeuermärchen
Wer nach dem zweihundertjährigen Jubiläum von Grimms Märchen zu Weihnachten 2012 noch an Rotkäppchen, Aschenputtel und Schneewittchen denkt, der wird sich über Märchen wundern, die von Panter, Schildkröte und Feldhasen handeln.
In der Tat handelt es sich bei den "Holzfeuermärchen", die Hilaire Mbakop gesammelt hat, nicht um Märchen von Hexen, Prinzen oder Dummlingen, sondern um Volkserzählungen, die oft von Tieren handeln und insofern Fabeln ähneln, und Erzählungen, die in einer völlig anderen Kultur beheimatet sind als die europäischen Märchen (die wir oft als typisch deutsch missverstehen).
Während das Märchen "Aschenputtel" in der Hochzeit mit dem Prinzen sein glückliches Ende findet, findet die Heldin in "Der Häuptling und seine Frauen" ihr Glück darin, dass der Häuptling seine anderen Frauen verstößt.
An die Stelle des bösen Zauberers kann ein "Mann im Anzug" treten und statt in einer Kutsche wird in einem "altersschwachen Taxi" gefahren. Und das Happy End von "Der Schwache und der Starke" besteht darin, dass der Schwache mit seiner Mutter aus seinem Heimatdorf flieht. (Warum das ein Happy End ist, kann man in "Holzfeuermärchen" nachlesen.)
So fremdartig, wie es auf den ersten Blick scheint, sind diese Märchen freilich nicht. Die Schildkröte, die in keinem von Grimms Märchen zu finden ist, spielt die gleiche Rolle wie der Igel im Märchen von "Hase und Igel". Der Hase freilich ist in diesen Märchen meist so listig, wie in den europäischen Fabeln der Fuchs. Und der Panter spielt eine ähnliche Rolle wie in europäischen Märchen der böse Wolf.
Was ist für mich der besondere Reiz dieser Sammlung?
Die Märchen wurden im 21. Jahrhundert gesammelt.Nur ein relativ kleiner Prozentsatz der Menschen, die Medúmbà sprechen, die Sprache, in der - bis auf vier - alle Märchen dieser Sammlung erzählt worden sind, beherrscht die Schrift von Medúmbà. Wir haben es also mit Märchen zu tun, die erst zwei Jahrhunderte nach Grimms Märchen verschriftlicht worden sind. Es ist reizvoll, sich zu überlegen, welche Elemente der Märchen erst in neuster Zeit hinzugekommen sind (bei dem Taxi, den "quietschend Reifen", dem "Mann mit dem Anzug" fällt es relativ leicht) und ob auch die Märchen erst recht jung sind. Aber ich frage mich auch, wie weit die anscheinend recht alten Tiermärchen zu den aktuellen Erfahrungen der heutigen Kameruner passen.
So viel ist sicher: Fast alle Märchen sind aus der Sicht von Schwachen erzählt, die sich erhoffen, einmal stärker sein zu können als die, die gegenwärtig mehr Erfolg in der Gesellschaft haben.
Nicht zufällig spielt die Schildkröte in diesen Märchen eine so wichtige Rolle: ein Tier, das langsam ist (also im Wettrennen um Erfolg weniger chancenreich), aber durch seinen Panzer vor Angriffen und vor Verletzungen geschützt ist.
Und was will uns wohl sagen, dass in einem Märchen der Elefant ein Gewehr bekommt, um die Schildkröte zu erschießen, am Schluss aber die Schildkröte das Gewehr in Besitz nimmt?
Diese Sammlung eignet sich also zum Vergleich mit Grimms Märchen, um damit zu einem vertieften Verständnis der eigenen Märchentradition zu verhelfen. Leser, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, sollten beachten, dass die Sprachform gelegentlich vom aktuell gebräuchlichen Deutsch abweicht. Für Leser mit der Muttersprache Deutsch entsteht dadurch ein eigentümlicher Reiz.
Der Verdienst, dass Hilaire Mbakop noch im 21. Jahrhundert Märchen gesammelt hat, wird noch deutlicher, wenn man bei den Märchenforschern Turay und Möhlig schon 1989 liest: "In den letzten Jahrzehnten ist die orale Volksliteratur fast überall in Afrika einen stillen Tod gestorben" (A. Taray und W.J.G. Möhlig: Temne Stories, Köln 1989, S.11).
Hilaire Mbakop: Holzfeuermärchen, Re Di Roma-Verlag 2010, ISBN 978-3-86870-261-3
Für Lehrer ein Artikel über die pädagogische Funktion von Märchen allgemein.
In der Tat handelt es sich bei den "Holzfeuermärchen", die Hilaire Mbakop gesammelt hat, nicht um Märchen von Hexen, Prinzen oder Dummlingen, sondern um Volkserzählungen, die oft von Tieren handeln und insofern Fabeln ähneln, und Erzählungen, die in einer völlig anderen Kultur beheimatet sind als die europäischen Märchen (die wir oft als typisch deutsch missverstehen).
Während das Märchen "Aschenputtel" in der Hochzeit mit dem Prinzen sein glückliches Ende findet, findet die Heldin in "Der Häuptling und seine Frauen" ihr Glück darin, dass der Häuptling seine anderen Frauen verstößt.
An die Stelle des bösen Zauberers kann ein "Mann im Anzug" treten und statt in einer Kutsche wird in einem "altersschwachen Taxi" gefahren. Und das Happy End von "Der Schwache und der Starke" besteht darin, dass der Schwache mit seiner Mutter aus seinem Heimatdorf flieht. (Warum das ein Happy End ist, kann man in "Holzfeuermärchen" nachlesen.)
So fremdartig, wie es auf den ersten Blick scheint, sind diese Märchen freilich nicht. Die Schildkröte, die in keinem von Grimms Märchen zu finden ist, spielt die gleiche Rolle wie der Igel im Märchen von "Hase und Igel". Der Hase freilich ist in diesen Märchen meist so listig, wie in den europäischen Fabeln der Fuchs. Und der Panter spielt eine ähnliche Rolle wie in europäischen Märchen der böse Wolf.
Was ist für mich der besondere Reiz dieser Sammlung?
Die Märchen wurden im 21. Jahrhundert gesammelt.Nur ein relativ kleiner Prozentsatz der Menschen, die Medúmbà sprechen, die Sprache, in der - bis auf vier - alle Märchen dieser Sammlung erzählt worden sind, beherrscht die Schrift von Medúmbà. Wir haben es also mit Märchen zu tun, die erst zwei Jahrhunderte nach Grimms Märchen verschriftlicht worden sind. Es ist reizvoll, sich zu überlegen, welche Elemente der Märchen erst in neuster Zeit hinzugekommen sind (bei dem Taxi, den "quietschend Reifen", dem "Mann mit dem Anzug" fällt es relativ leicht) und ob auch die Märchen erst recht jung sind. Aber ich frage mich auch, wie weit die anscheinend recht alten Tiermärchen zu den aktuellen Erfahrungen der heutigen Kameruner passen.
So viel ist sicher: Fast alle Märchen sind aus der Sicht von Schwachen erzählt, die sich erhoffen, einmal stärker sein zu können als die, die gegenwärtig mehr Erfolg in der Gesellschaft haben.
Nicht zufällig spielt die Schildkröte in diesen Märchen eine so wichtige Rolle: ein Tier, das langsam ist (also im Wettrennen um Erfolg weniger chancenreich), aber durch seinen Panzer vor Angriffen und vor Verletzungen geschützt ist.
Und was will uns wohl sagen, dass in einem Märchen der Elefant ein Gewehr bekommt, um die Schildkröte zu erschießen, am Schluss aber die Schildkröte das Gewehr in Besitz nimmt?
Diese Sammlung eignet sich also zum Vergleich mit Grimms Märchen, um damit zu einem vertieften Verständnis der eigenen Märchentradition zu verhelfen. Leser, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, sollten beachten, dass die Sprachform gelegentlich vom aktuell gebräuchlichen Deutsch abweicht. Für Leser mit der Muttersprache Deutsch entsteht dadurch ein eigentümlicher Reiz.
Der Verdienst, dass Hilaire Mbakop noch im 21. Jahrhundert Märchen gesammelt hat, wird noch deutlicher, wenn man bei den Märchenforschern Turay und Möhlig schon 1989 liest: "In den letzten Jahrzehnten ist die orale Volksliteratur fast überall in Afrika einen stillen Tod gestorben" (A. Taray und W.J.G. Möhlig: Temne Stories, Köln 1989, S.11).
Walter Böhme
Hilaire Mbakop: Holzfeuermärchen, Re Di Roma-Verlag 2010, ISBN 978-3-86870-261-3
Für Lehrer ein Artikel über die pädagogische Funktion von Märchen allgemein.
Samstag, 5. Januar 2013
Sisyphos im Lärm der Stille (von Muepu Muamba)
Man müsse sich Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen, sagte Camus.
Muepu Muamba aber ist wütend. Er möchte seinen Stein jemandem an den Kopf werfen, oder, wie es in der „Wut-Rede“ heißt: „Wut euch vor die Füße zu werfen“ – aber wem?
Papst Nikolaus V, der 1455 die Unterwerfung aller Nichtchristen forderte?
Diego Cao, der 1482 das Land an der Kongomündung für Portugal in Besitz nahm?
König Leopold II, der den „Unabhängigen Staat Kongo“ als Privatbesitz ausbeutete?
Den belgischen Kolonialherren?
Oder nicht doch dem Diktator Mobutu, der Muepu wie viele kongolesische Intellektuelle ins Exil trieb?
Oder gar den heutigen Machthabern, die ihm keinen Platz in seiner Heimat, der Demokratischen Republik Kongo, geben?
Dabei fing alles so gut an. Als Jugendlicher ging Muepu Muamba in Belgien zur Schule und studierte dort. Nach seiner Ausweisung 1968 veröffentlichte er in Kinshasa Gedichte und Erzählungen, die ihren Platz in der Literaturgeschichte haben. Mit einem Freund gründete er dort einen Verlag und wurde zur Frankfurter Buchmesse 1977 eingeladen. Ein mehrmonatiges Praktikum im Klett-Verlag schloss sich an. 1979 war Muepu Muamba Gast beim Horizonte-Festival in Berlin; von dort kehrte er nicht mehr in seine Heimat zurück.
Seine jahrelange Odyssee durch Westafrika und Europa erzählt Muepu ebenfalls in diesem Band, und das ist eigentlich viel spannender als die – wenn auch sehr wortgewaltigen – Schilderungen afrikanischen Elends. „Delirium“ etwa, das Klagelied einer Prostituierten, die Mann und Sohn verlor und nun in ihrem Elend mit Gott hadert, lässt an den Roman „Allah muss nicht gerecht sein“ von Ahmadou Kourouma denken. „Der Teufel muss intelligenter sein als du, Herr“, das ist der Stein, den diese Frau ihrem christlichen Gott vor die Füße wirft. Der Teufel erscheint hier in Gestalt zaïrischen Militärs; er hat wohl auch noch seine Handlanger in der Demokratischen Republik, in die Muepu nicht zurückkehren mag, obwohl er seine Staatsbürgerschaft nie aufgegeben hat. Für die in einem belgischen Gefängnis spielende Erzählung « Zellengemeinschaft » bekam Muepu 1988 einen stattlichen Geldpreis von einer französischen Minderheitenorganisation, die, wenn auch nur ein Bruchteil dieses aus Gewalt-, Sex- und Fäkalsprache gestrickten Textes mit seiner tatsächlichen Erfahrung während der Abschiebehaft im Gefängnis St. Gilles zu tun hat, eigentlich der belgischen Justiz einen Menschenrechtsprozess hätte anhängen müssen.
Ein anderer wortgewaltiger afrikanischer Schriftsteller, Patrice Nganang aus Kamerun, leitet diese Anthologie mit einem Brief an den Autor ein. Auch er singt das Lied von der „Aushöhlung des Gewissens.“ Die beiden sind sich vor vielen Jahren in einer Frankfurter Straßenbahn begegnet und haben festgestellt, dass jeder seinen Stein zu wälzen hat. Nganang tut das heute erfolgreich – vielleicht sogar glücklich - in den USA, und Muepu Muamba lebt seine Stille im Lärm der Großstadt Frankfurt, die ihm seit zwölf Jahren Ersatzheimat ist. (Almut Seiler-Dietrich)
Muepu Muamba : Sisyphos im Lärm der Stille. Eine Anthologie, hg. von Barbara Höhfeld, mit einem Brief von Patrice Nganang. Heidelberg: Draupadi Verlag 2012, 191 Seiten.
Diese Rezension von Almut Seiler-Dietrich www.afrika-interpretieren.de ist zuerst in "Literaturnachrichten" Nr. 114, Herbst 2012 im Druck erschienen.
Muepu Muamba aber ist wütend. Er möchte seinen Stein jemandem an den Kopf werfen, oder, wie es in der „Wut-Rede“ heißt: „Wut euch vor die Füße zu werfen“ – aber wem?
Papst Nikolaus V, der 1455 die Unterwerfung aller Nichtchristen forderte?
Diego Cao, der 1482 das Land an der Kongomündung für Portugal in Besitz nahm?
König Leopold II, der den „Unabhängigen Staat Kongo“ als Privatbesitz ausbeutete?
Den belgischen Kolonialherren?
Oder nicht doch dem Diktator Mobutu, der Muepu wie viele kongolesische Intellektuelle ins Exil trieb?
Oder gar den heutigen Machthabern, die ihm keinen Platz in seiner Heimat, der Demokratischen Republik Kongo, geben?
Dabei fing alles so gut an. Als Jugendlicher ging Muepu Muamba in Belgien zur Schule und studierte dort. Nach seiner Ausweisung 1968 veröffentlichte er in Kinshasa Gedichte und Erzählungen, die ihren Platz in der Literaturgeschichte haben. Mit einem Freund gründete er dort einen Verlag und wurde zur Frankfurter Buchmesse 1977 eingeladen. Ein mehrmonatiges Praktikum im Klett-Verlag schloss sich an. 1979 war Muepu Muamba Gast beim Horizonte-Festival in Berlin; von dort kehrte er nicht mehr in seine Heimat zurück.
Seine jahrelange Odyssee durch Westafrika und Europa erzählt Muepu ebenfalls in diesem Band, und das ist eigentlich viel spannender als die – wenn auch sehr wortgewaltigen – Schilderungen afrikanischen Elends. „Delirium“ etwa, das Klagelied einer Prostituierten, die Mann und Sohn verlor und nun in ihrem Elend mit Gott hadert, lässt an den Roman „Allah muss nicht gerecht sein“ von Ahmadou Kourouma denken. „Der Teufel muss intelligenter sein als du, Herr“, das ist der Stein, den diese Frau ihrem christlichen Gott vor die Füße wirft. Der Teufel erscheint hier in Gestalt zaïrischen Militärs; er hat wohl auch noch seine Handlanger in der Demokratischen Republik, in die Muepu nicht zurückkehren mag, obwohl er seine Staatsbürgerschaft nie aufgegeben hat. Für die in einem belgischen Gefängnis spielende Erzählung « Zellengemeinschaft » bekam Muepu 1988 einen stattlichen Geldpreis von einer französischen Minderheitenorganisation, die, wenn auch nur ein Bruchteil dieses aus Gewalt-, Sex- und Fäkalsprache gestrickten Textes mit seiner tatsächlichen Erfahrung während der Abschiebehaft im Gefängnis St. Gilles zu tun hat, eigentlich der belgischen Justiz einen Menschenrechtsprozess hätte anhängen müssen.
Ein anderer wortgewaltiger afrikanischer Schriftsteller, Patrice Nganang aus Kamerun, leitet diese Anthologie mit einem Brief an den Autor ein. Auch er singt das Lied von der „Aushöhlung des Gewissens.“ Die beiden sind sich vor vielen Jahren in einer Frankfurter Straßenbahn begegnet und haben festgestellt, dass jeder seinen Stein zu wälzen hat. Nganang tut das heute erfolgreich – vielleicht sogar glücklich - in den USA, und Muepu Muamba lebt seine Stille im Lärm der Großstadt Frankfurt, die ihm seit zwölf Jahren Ersatzheimat ist. (Almut Seiler-Dietrich)
Muepu Muamba : Sisyphos im Lärm der Stille. Eine Anthologie, hg. von Barbara Höhfeld, mit einem Brief von Patrice Nganang. Heidelberg: Draupadi Verlag 2012, 191 Seiten.
Diese Rezension von Almut Seiler-Dietrich www.afrika-interpretieren.de ist zuerst in "Literaturnachrichten" Nr. 114, Herbst 2012 im Druck erschienen.
Labels:
Kolonialismus,
Muepu Muamba,
Sisyphos
Donnerstag, 3. Januar 2013
Macht machtloser Frauen
So beginnt das Video von 3sat über :Leymah Gbowee: "Wir sind die Macht".
"1989 herrscht in Liberia Frieden. Leymah Gbowee ist 17 und hat ein gutes Leben. Sie ist mit der Highschool fertig, will Ärztin werden. Dem schönen, klugen Mädchen stehen alle Möglichkeiten offen. Ein halbes Jahr später sind alle Hoffnungen zerschlagen. Liberia wird von einem blutigen Bürgerkrieg überrollt. In nur einem Jahr werden 200.000 Menschen getötet. ..."
Es lohnt sich, den Links nachzugehen, vielleicht besonders dem letzten.
Übrigens, Gbowee erhielt 2011 den Friedensnobelpreis zusammen mit mit ihrer Landsfrau Ellen Johnson Sirleaf und der Jemenitin Tawakkul Karman.
Labels:
Bürgerkrieg,
Frauen,
Friedensnobelpreis,
Liberia,
Macht
Abonnieren
Posts (Atom)